Rezension

Gemeinsam statt einsam!

Bergsalz -

Bergsalz
von Karin Kalisa

Bewertet mit 5 Sternen

Der neue Roman von Karin Kalisa - Bergsalz - erschien 2020 im Droemer-Knaur Verlag (HC, gebunden) und wird von einem zum Romaninhalt sehr gut gewählten (und optisch sehr schönen) Cover, das die Bergwelt der Alpen in verschiedenen Blautönen zeigt, umhüllt.

 

Karin Kalisa entführt ihre Leser in die karge Bergwelt der Voralpen, der Roman beginnt poetisch mit dem Wind, der seinen Weg ins Haus der 75jährigen Franziska Heberle findet: Er könnte für eine Metapher eines "frischen Windes" stehen, der das Leben der Dorfbewohner; zumeist ältere Frauen, deren Männer bereits verstorben sind - oder vor Zeiten das Weite suchten, grundlegend verändern sollte....

 

Franziska, von allen Franzi genannt, wird beim Kochen ihres Mittagessens gestört, als eine Nachbarin klingelt, deren Anliegen wohl tiefer geht als das, sich eine Kelle Mehl zu borgen. Nachdem Franzi Johanna hereingebeten hat, klingelt es gar ein zweites Mal an der Tür, dieses Mal ist es Elsbeth, deren Päckchen mit einer Aromalampe (deren Aroma das sinnliche Gefühl wie aus 1001 Nacht wiedergeben soll) versehentlich bei Franzi abgegeben worden ist (Toni, der Ehemann von Elsbeth, hat vor Jahren mit einer jüngeren Sizilianerin das Weite gesucht, so dass Elsbeth ihre Kinder alleine großziehen musste und sich nun auch mal ein sinnliches Vergnügen leisten mag). Was stockend beginnt, da normalerweise jede jede in Ruhe lässt und alleine lebt, man sich nur vom Sehen kennt, entwickelt sich dennoch: Reihum laden die Frauen sich zum Essen ein und stellen fest, dass die jeweilige Küche viel zu klein ist, denn vom Kochen "füreinealleine" wurde unmerklich ein "miteinanderzusammen". Da die Frauen allesamt praktisch veranlagt sind und Gefallen am zusammen essen finden, überlegen sie, dies im lange leerstehenden "Rössle", dem Dorfgasthof, weiter zu betreiben: Für die Geflüchteten, die in den oberen Stockwerken untergebracht wurden, wird eben gleich mitgekocht! So begegnen sich Franzi und Esma, eine Syrerin, die die Küche bereits zu kennen scheint (aber nicht benutzen durfte) und entdecken ein großes Gefäß voller Bergsalz, der dem Roman seinen Namen gab - und nun die Speisen würzen soll, die gemeinsam gekocht werden.

 

Und es bleibt nicht bei der "Offenen Küche", in der für jedermann und kleines Geld gekocht wird, sondern man überlegt sich, den stillgelegten Dorfladen wiederzueröffnen und ein Repair-Café zu betreiben. Unterstützt werden diese Projekte von Ben, einem jungen Engländer, der wie Sabina, der Tochter von Elsbeth, einige Jahre in Krisengebieten war, um zu helfen. Beide finden durch diese Tätigkeiten im Dorf zueinander - und auch nach Traumatisierungen zurück ins Leben, was die Autorin wundervoll und ausdrucksstark schildert.

 

In Rückblicken und in Form von Einschüben beschreibt Kalisa kurz das Leben der Bauernfamilie Endres zur Zeit der Bauernkriege im 16. Jahrhundert und des "Bundschuhs"; der Vereinigung der Bauern, die aufbegehrten und viele ihr Leben lassen mussten. Im "Einödle", einem alten Bauernhaus, in das eine der ProtagonistInnen einzieht, schließt sich der Kreis und es wird klar, dass beide Geschichten miteinander verwoben sind.

 

Stilistisch ist der Roman sehr eingängig zu lesen und die Verwendung des alpenländischen Dialekts in den Dialogen steigert die Authentizität. Am Ende kommt auch Humor ins Spiel, etwa wenn sich der Sohn des Bürgermeisters auf eine "Internetschulung für Best Agers" vorbereitet und "Betreutes Skypen" anbieten möchte; sein Vater hingegen tief seufzt - und sich auf die neuen Aufgaben freut.

 

"Bergsalz" ist ein anspruchsvoller und dennoch sehr gut zu lesender Roman, der in die Tiefe geht und mir sehr gut gefallen hat! Die Themen sind sehr vielschichtig; es geht um Vereinzelung und Einsamkeit, Freundschaft und Kooperation, Veränderungen durch das Aufbrechen verkrusteter Lebensweisen, Bauernkriege und auch Bürgerkrieg (Syrien), den Klimawandel, "Kulturelles über den Tellerrand blicken", um Gemeinschaftssinn und Solidarität.

 

Die Figuren sind fein gezeichnet und Sympathieträger(Innen) - allen voran Franzi, Esma und Sabina sind mir sehr ans Herz gewachsen und ein positives Beispiel dafür, wie schön es sein kann, seinem Leben eine neue Richtung, einen neuen Sinn zu geben!

 

Fazit:

 

Ein sehr lesenswerter Roman, der auch kulturhistorische Aspekte im Voralpenland beleuchtet und im Sprachstil (poetisch, zuweilen humorvoll) in die Tiefe geht und die Figuren authentisch ausleuchtet. Gerade in Pandemiezeiten hat "Bergsalz" etwas ungeheuer Aktuelles: Gemeinsam statt einsam!

 

Von mir erhält der Roman begeisterte 5* und eine absolute Leseempfehlung.