Rezension

Gemischte Gefühle

Der Junge aus dem Wald - Harlan Coben

Der Junge aus dem Wald
von Harlan Coben

Der Junge aus dem Wald von Harlan Coben

Dies ist meine erste Bekanntschaft mit Harlan Coben und seinen Thrillern. Vor mir liegt ein Exemplar von „Der Junge aus dem Wald“ - seiner neusten Veröffentlichung. Gehört habe ich von dem Autor schon eine Menge - so viel, das ich neugierig wurde.

Man fand den späteren Privatdetektiv Wilde einst im Wald, alleine, ohne Erinnerungen und mit einer ausgeprägten Bindungsphobie, die verhindert, dass er länger mit einer Person zusammen bleiben kann. Als die junge Naomi Pine verschwindet, bittet ihn die Staranwältin Hester Crimstein um Hilfe bei den Ermittlungen, da die Jugendliche mit ihrem Enkel in einer Klasse ist. Was zunächst wie ein Mobbingfall scheint, explodiert …

Wenn man in ein neues Abenteuer, ein neues Buch startet, ist man euphorisch, oder? Genau diese Euphorie hat mich auch in den ersten paar Dutzend Seiten begleitet. Wilde wurde als cooler, eigenbrötlerischer Privatdetektiv eingeführt mit ganz speziellen Ermittlungsmethoden, der neben der Ermittlungstätigkeit nach seiner eigenen Vergangenheit gräbt. Zu Beginn wirkte Wilde Cool auf mich, wie er mit wenigen Berührungspunkten zur Gesellschaft sein Leben lebt und trotzdem da ist, wo er gebraucht wird. Irgendwann wurde er mir jedoch zu cool. Der Autor schrieb ihm zu viele Frauengeschichten auf dem Leib, Ja, wir wissen, dass Wilde sexy ist und nichts anbrennen lässt. Aber wenn das nur marginal zum Plot beiträgt, muss man es auch nicht immer und immer wieder erwähnen oder es besser in die Geschichte einbinden sollen. So hatte ich das Gefühl, Wildes Umtriebigkeit war eigentlich nur das Bindeglied zur Gesellschaft, das benötigt wurde, um ihn nicht vollkommen abgeschottet von der Zivilisation erscheinen zu lassen. Schade.

Der Plot war klug ausgetüffelt. Ein Mobbingfall, der tief in die Struktur einer HighSchool hineinreicht und von da aus immer weiter seine Wellen schlägt. Doch irgendwann schleuste der Autor zu viele Actionelemente mit ein, um die Story packender erzählen zu können. Und ich verlor immer mehr die Lust an der Geschichte.

Die einzelnen Charakter außer Wilde waren gut gewählt und hatten genügend Tiefe, um an Wildes Seite bestehen zu können. Und sie waren mir auch sympathischer als er, um der Wahrheit genüge zu tun.

Ich mochte das Buch - irgendwie. Es hatte Momente, die richtig stark geschrieben waren - und dann gab es solche Passagen, die sich der Autor auch hätte schenken können - wisst ihr, welche ich meine? Solche erklärenden Passagen, die eigentlich nichts zur Fortentwicklung des Plots beigetragen haben. Und davon gab es reichlich.

Wie lässt mich Harlan Coben zurück? Nun, mit gemischten Gefühlen. Der spannende Plot steht Wildes Charakter gegenüber, der mich nicht wirklich überzeugen konnte. Es wird wohl einige Zeit vergehen, es ich wieder einen Coben zur Hand nehme.