Rezension

Gemischte Gefühle- Sehr guter Schreibstil

Winterbienen - Norbert Scheuer

Winterbienen
von Norbert Scheuer

Bewertet mit 3.5 Sternen

Der Zweite Weltkrieg wird 1944 auch zunehmend in der Eifel spürbar. Egidius, eigentlich Latein- und Griechischlehrer, wurde aufgrund seiner Epilepsie des Schuldienstes durch die Nazis verwiesen. Außerdem zwangssterilisiert. Nun macht er sein Hobby, das Bienenzüchten, zum Beruf und rettet somit viele Leben auf verschiedene Art und Weise. Immer mit der Gefahr selbst aufzufliegen.

Mit diesem Buch bin ich nicht wirklich warm geworden. 

Der Schreibstil ist sehr gut. Einfache, alltägliche Sprache wird in Tagebucheinträgen verwoben. Zu einem gibt es Egidius Tagebücher von 1944/45, zum anderen aber auch einzelne Fragmente von Ambrosius aus dem späten 15. Jh. Ambrosius war der Vorfahre, der einst Egidius´ Bienenart in die Eifel brachte. Die mittelalterliche/frühneuzeitliche Sprache ist jedoch keine. Was es manchmal schwierig zu unterscheiden macht, von wem denn der Tagebucheintrag ist, auch wenn die übersetzten Stellen kursiv gedruckt sind. Außerdem passt sich die Schreibweise der momentanen Situation an. Bei Stress schreibt der Protagonist weniger, bei Anfällen phrasenhafter. Dann findet auch keine Übersetzungstätigkeit statt.

Die Sprache ist zudem sehr nüchtern, manchmal kalt und für ein geheimes, privates Tagebuch nicht sehr emotionsgeladen und unmittelbar. Egidius´ Liebe für die Bienen wird sehr gut beschrieben, jedoch sind es vor allem Sachinformationen, die der Leser erfährt. Seine Frauenliebschaften wirken hingegen am leidenschaftlichsten. Am besten gefallen mir die Episoden über seine epileptischen Anfälle. Die werden sehr anschaulich und gut nachvollziehbar dargestellt. Der Krieg widerum wird so beschrieben wie er ist. Kalt, emotionslos, hoffnungslos, dramatisch, grausam, sinnlos, aussichtslos.

Es gibt viele Verknüpfungen zu den antiken Mythen des Vergils, Horaz etc. Was in Analogie zur gegenwärtigen Bienenzucht passt. Auch die Höhle, in der Egidius mit seinem Bruder damals Sternenfahrer gespielt hat und mit dem Floß gefahren ist, wird passend dazu beschrieben. Erinnert sie doch an den Hades oder das goldene Floß. Das alles passt auch super zu einem Lehrer der alten Sprachen.

In der Höhle werden außerdem die Flüchtlinge versteckt, die Egidius später in seinen Bienenstöcken an die belgische Grenze schmuggelt.

Auf mich wirkt das Buch anfangs sehr deprimierend und lethargisch. Eigentlich passiert jeden Tag dasselbe. Doch langsam wird es bedrohlicher.

Immer wieder gibt es im Buch Illustrationen von Kampf-Flugzeugen, inklusive Beschreibungen. Egidius´ Bruder ist Kampfflieger und dies rettet ihm das Leben. Denn Egidius braucht Medikamente, damit er nicht dauernd an Halluzinationen, Fieberwahn und vor allem Krampfanfällen leidet. Doch auch in der idyllischen Eifel ist man der Nazi-Ideologie verfallen und es ist sehr schwer bei dem Apotheker etwas gegen die Epilepsie zu bekommen. Aber Egidius´ Bruder hat Kontakte.

Ab dem 3. Teil des Buches erfährt man endlich etwas mehr über die Schicksale der Flüchtlinge. Es ist beeindruckend, wie diese versteckt zur Grenze gebracht worden sind und welche Rolle die Bienen dabei spielen. Die Flüchtlinge sind überraschenderweise ziemlich besonnen. Über ihre Vorgeschichte erfährt man kaum etwas, jedoch was nach der Flucht aus ihnen wurde. Was natürlich Emotionen im Leser weckt.

Insgesamt finde ich keine gute Verknüpfung zwischen den unterschiedlichen Ebenen der Geschichte. An sich wirkt die Geschichte zu harmonisch, was an dem Leben des Bienenvolkes liegen mag, ein ewiger Kreislauf. Vielleicht ist aber gerade das der Clue der Erzählung. Die Bienen sind sehr ausgeglichen. Die Menschen nicht. Sie tun das, was gerade am besten passt und Trend ist. Wenn sie jemanden brauchen, kommen sie angeschlichen, wenn sich aber einer darüber beschwert und einen verpfeifen könnte, stehen sie nicht mehr hinter einem. Und so lebt Egidius doch selbst in ständiger Gefahr. Was aber nicht so dramatisch daher kommt. Was widerum an Egidius selbst liegen könnte, der ganz getreu dem Motto "Carpe diem!" lebt.

Positiv bleiben die einzelnen Bröckchen der Dorfgeschichten in Erinnerungen. Sie klingen sehr authentisch und nach Geschehnissen, die wohl so oder so ähnlich tatsächlich vorgekommen sind, als die Aliierten ankamen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 27. Oktober 2019 um 09:01

Na ja, Lesa: du würdest in jedem Buch Anklänge zur Mythologie finden. Mag ja sein, dass sich der Autor solche Zusammenhänge (ganz ganz leise) gedacht hat, aber sie sind nicht vordergründig und überhaupt nicht wichtig zum Verstehen der Geschichte. Man sieht an deiner Rezension sogar, dass sie eher hinderlich sind, das Buch zu genießen. Das ein wirklich schönes Buch ist.

lesesafari kommentierte am 27. Oktober 2019 um 13:51

jajaja.
aber der autor hats ja herausgeschrien. seine argo, sein verne ;D, latein- und griechischlehrer oder auch geschichtslehrer.
aber vor allem die bienen.
;D gewiss sind die hinderlich, so aufdringlich wie sie sind.

wandagreen kommentierte am 27. Oktober 2019 um 14:05

Na gut, ich habs noch mal nachgelesen. Es ist schon was dran. Aber man hätte diese ganze Mythologie nicht gebraucht. Dann bin ich doch froh, dass er nicht gewonnen hat, obwohl Herkunft lahm ist.