Rezension

Genial

4 3 2 1 (4321) - Paul Auster

4 3 2 1 (4321)
von Paul Auster

Bewertet mit 5 Sternen

Wie wäre unser Leben verlaufen, wenn wir andere Entscheidungen getroffen hätten, wenn unsere Eltern für sich selbst und für uns anders entschieden hätten, wenn wir links statt rechts gegangen wären, wenn wir zu einem Termin fünf Minuten zu spät erschienen wären? Diesen und anderen Fragen geht Paul Auster in seinem "Meisterwerk" 4 3 2 1 nach. Er erzählt vier Romane in einem und führte mich als Leser souverän von der ersten bis zur letzten Seite.

Ich begegne Ferguson, dem Protagonisten, in vier Versionen seines Lebens. Er hat im Grunde immer die gleichen Interessen, die gleichen Gefühle, die gleiche Ausgangssituation, aber er entwickelt sich durch äußere Faktoren und eigene Entscheidungen recht unterschiedlich. Den vier Fergusons ist allen die Liebe zum Sport, zur Literatur und zu Filmen gegeben, alle haben eine besondere Beziehung zur Mutter, eine schwierige zum Vater und alle lieben sie die gleiche Frau. Paul Auster ist ein unglaublich guter Erzähler; er führte mich durch die Kindheit, die Jugend und das junge Erwachsenenalter von vier Fergusons und oft habe ich gedacht: Ja, genauso ist es. 

Was nicht zu Punktabzug führen kann, ist die Tatsache, dass der Roman für mich an einer einzigen Stelle eine Länge hat. Wenn von den Studentenunruhen in den USA erzählt wird, wird das Ganze für mich unübersichtlich, da sich das Bildungssystem in den Staaten von unserem stark unterscheidet. Da musste ich meinen Lesefluss mal kurz unterbrechen, weil die Abkürzungen für mich doch sehr verwirrend waren. Aber bei einem Roman von fast 1300 Seiten sei das dem Autor verziehen. 

Besonders gut gelungen finde ich auch die erotischen Begegnungen von Ferguson. Das ist nicht Porno, das ist nicht klischeehaft, das ist einfach gut gemacht, was auch den besonderen Autor ausmacht. Das muss erwähnt werden, weil die Erotik neben dem Sport, der Literatur und den Filmen die große Leidenschaft der vier Fergusons ist. Zitat: Beständig ficken tut uns gut! 

Man sollte sich nicht von den 1300 Seiten abschrecken lassen, sondern sich auf eine Reise begeben; eine Reise, auf der man sich vielleicht manchmal selbst wiedererkennt und sich an deren Ende fragen, wo man selber wäre, wenn manches im eigenen Leben anders verlaufen wäre!

Für mich ganz klar ein Lesehighlight der letzten Jahre. So ein Wurf gelingt einem Autor vielleicht einmal im Leben. Paul Auster ist er eindeutig gelungen!