Rezension

Geprägt von drückender Stille, großer Einsamkeit und Ausweglosigkeit

Worüber wir schweigen - Michaela Kastel

Worüber wir schweigen
von Michaela Kastel

Bewertet mit 5 Sternen

Zwölf lange Jahre hat es gedauert bis Nina nach Hause zurückgekehrt ist.
Zwölf Jahre.
Warum jetzt?
Der Klappentext hat mich unheimlich neugierig gemacht. Ich hatte jedoch überhaupt keine Ahnung womit ich es hier zutun bekommen würde.

Der Einstieg in das Geschehen gelang mir sofort sehr gut. Die traurige, fast schon verbitterte , düstere und trostlose Atmosphäre umschlang mich sofort mit beiden Armen.
Die Autorin hat dabei einen sehr einnehmenden und fesselnden Schreibstil. Er ist unglaublich schwer und durchzogen von drückender Stille und doch hat es mich sofort unglaublich in den Bann gezogen und keine Minute mehr losgelassen.
Es ist kein Thriller , der mit Tempo und Action punktet.
Die Spannung und Angespanntheit ist viel eher unterschwellig spürbar.
Aus jeder Zeile schreit es Wut, Verzweiflung und schiere Hoffnungslosigkeit.
Es ist, als wäre man an einer Weggabelung angekommen. Und doch hat man keine Wahl. Es ist die letzte Reise, die ins Ungewisse und doch ans Ziel führt.
Im Fokus des Ganzen steht Nina. Eine junge Frau, die nicht unbedingt sympathisch ist. Sie hat etwas sehr berechnendes, verbittertes an sich.
Sie trägt so unglaublich viel Wut mit sich herum.
Die Macht der ungesagten Worte haben sie so werden lassen und doch wollte ich wissen, wer Nina wirklich ist.
Ganz anders dagegen Mel, die ich sofort ins Herz schloss. Die mit einem Lächeln den kompletten Raum erhellte. Doch das war in der Vergangenheit.
Die Mel von Heute ist ein Schatten ihrer selbst und jeglichem Lebenswillen beraubt.
Was also ist passiert, das die einstmals besten Freundinnen so auseinanderdrifteten und sich nichts mehr zu sagen haben?
Alle Charaktere wurden mit sehr großer Sorgfalt, sehr detailliert und tiefgründig ausgearbeitet. Sie sind authentisch und absolut greifbar.
Wenn man in die Gegenwart eintaucht, hat man das Gefühl, nicht mehr atmen zu können.
Weil da nichts weiter ist, wofür es sich zu leben lohnt.
Ich wollte es hinterfragen. Ich wollte es verstehen.
Im Wechsel von Vergangenheit und Gegenwart ergründet man, wer diese Menschen einst waren , warum sie so wurden und was sie letztendlich aneinandergebunden und entzweit hat.
Mit unerschütterlicher Ruhe kommt man einer Freundschaft auf die Spur, die von Abhängigkeit und Selbstzweifeln übersät war.
Die eigentlich von Anfang an zum scheitern verurteilt war.
Es gab einen Punkt in der Vergangenheit, der mich nicht nur unglaublich erschüttert hat. Zudem zeigt er Ninas Persönlichkeit sehr gut auf.
Ein Ereignis, das Nina jeglicher Sympathiepunkte beraubt hat.
Man erlebt eine Geschichte, die von Geheimnissen, Abhängigkeit und Missachtung geprägt ist.
Von Verrat, Lügen und Abgründigkeit.
Es ist ein einziger großer verzweifelter Schrei nach Liebe und Anerkennung, der niemals verstummt und Erlösung findet.
Ich habe nie verstanden, warum Mel, Nina so sehr mochte.
Aber vielleicht war es auch gar nicht so. Vielleicht hatte sie einfach keine Wahl.
Vielleicht war sie einfach zu schwach für diese Welt und brauchte jemand, an den sie sich klammern konnte und der ihr den Weg wies.

Die Handlung hat mich sofort unglaublich mitgerissen. Auch wenn sie unglaublich schwer und drückend war. Aber vielleicht auch gerade deswegen.
Man erfährt dabei die Perspektiven aus unterschiedlicher Richtung. Was mir wirklich gut gefallen hat. Weil man so die unterschiedlichsten Charaktere ergründen und ein Teil ihres Lebens sein konnte.
Dabei spürt man mit jeder Zeile , wie zerbrochen und ausweglos ihre Lage ist. Wie verworren und einsam.
Die Einsamkeit steht an erster Stelle und fordert ihren Tribut.
Mit psychologischer Einfühlsamkeit erlebt man eine Geschichte, die so abgrundtief traurig und traumatisch ist. Die von einer Freundschaft erzählt, die man eigentlich nicht versteht.
Geheimnisse stehen an der Tagesordnung und jeder scheint mit seinem eigenen Los zu hadern.
Glück eine Seltenheit.
Mit trügerische Ruhe schlittert man auf eine Tragödie zu, die sich von Anfang an abzeichnete und doch hat man diese Tragik in keinster Weise kommen sehen.

Dieser Roman punktet nicht unbedingt mit Wendungen. Dennoch erfolgte der Schlussgong mit einem Knall , den man nicht kommen sehen hat.
Dadurch erscheint alles in einem völlig neuen Licht und man wird mit den Dämonen alleingelassen und zum nachdenken verdammt.
Mich hat diese Geschichte sehr beschäftigt, weil diese Menschen nicht nur mit ihrer Persönlichkeit punkten und in den Bann ziehen.
Es ist vor allem die große Dramatik dahinter.
Die Verbitterung und Ausweglosigkeit.
Die Auflösung des Ganzen ist sehr schlüssig und hat mich dennoch sehr überrascht.
Denn es wird einem vor Augen geführt.
Dass , das Leben und unser Umfeld uns prägt.
Das man manchmal keine Chance hat auszubrechen und zu leben.
Manchmal entwickelt man sich in die richtige Richtung. Aber manchmal verliert man mit jedem Augenblick mehr den Halt.

Schlussendlich ist Michaela Kasten ein großartiger Roman gelungen, der das Innerste nach Außen kehrt und sehr viel Stille, Tragik und Einsamkeit offenbart.
In meinen Augen nicht unbedingt ein Thriller. Sondern vielmehr ein große Tragödie.
Aber besonders auf der psychologischen Ebene unglaublich gut ausgearbeitet.

Fazit:
Mein erster Roman von Michaela Kasten und ohne es zu wollen, bin ich absolut begeistert.
Kein Thriller der mit Tempo , Action und Nervenkitzel punktet.
Sondern viel mehr mit unterschwelliger Spannung, Tragik und Dramatik.
Eine Geschichte die mich sofort in den Bann zog und auf unterschiedlichste Art und Weise beeindruckt hat.
Geprägt von drückender Stille, großer Einsamkeit und Ausweglosigkeit.
Hier ist der Autorin etwas großartiges gelungen, das bis zum Schluss in Atem hält und zum nachdenken bringt.