Rezension

Gern zu Gast im namenlosen Café

Das Café ohne Namen
von Robert Seethaler

Bewertet mit 5 Sternen

Ich fühle mich ganz gut als Gast in diesem "Café ohne Namen" aufgehoben und bewirtet. Gern nehme ich an einem der Tische des Betreibers Robert Simon, Robert Seethalers Hauptfigur, Platz.
In eine Zeit zurückversetzt, die meiner frühen Kindheit entspricht,
erlebe ich den Aufbruch und Neubeginn im Wien um den Karmelitermarkt herum... und erfahre viel vom Leben, Leiden und Lachen der Menschen, die dort handeln und wandeln, arbeiten und Gewerke verrichten, die unterwegs sind und Einkehr im Café finden.
Sehr warmherzig sind die Geschichten der Frauen und Männer erzählt, miteinander verwoben und in 39 Episodenkapiteln auf 283 Seiten aufgeführt.
Das Buch ist sehr wertig, mir gefallen die Gestaltung des Covers - der weiße Untergrund mit Schriftzügen von Autor, Titel und Verlag sowie das Foto des in den Sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts aufbrechenden jungen Mannes, den die Sonne bescheint und der sich - wie in einer kleinen Pause - etwas zurücklehnt.
Das orange Einmerkbändchen passt farblich zum Buchexemplar und ist ein unaufdringliches Lesezeichen zugleich.
Das Café ist ein Treffpunkt für die Menschen, die dort mitten in Wien aufgewachsen oder zugezogen sind und allesamt in recht einfachen Verhältnissen leben und arbeiten.
Den Schreibstil des Autoren finde ich unaufgeregt aber insgeheim eindringlich. Sehr bildhaft sind der tägliche Brotwerwerb und das Wiener Millieu gefasst. Robert Seethaler zeigt die Gäste des Cafés mit Schwächen und Stärken und lässt ihnen in mehreren Einschüben auch Raum und Zeit, um ins Gespräch zu kommen und ihre Gedanken darzulegen und Gefühlsausbrüche zu äußern.
Ich habe mich gut in Zeit, Umstände und Schicksale der Menschen hineinversetzen können und mich dabei von leiser Melancholie und
viel Symphatie des Autors für seine Figuren unterhalten lassen.