Rezension

Geschenkt

Geschenkt - Daniel Glattauer

Geschenkt
von Daniel Glattauer

Bewertet mit 5 Sternen

Gleichgültig und antriebslos, so könnte man Gerold Plassek beschreiben. 
Seine Arbeit hat er längst abgeschrieben und versucht täglich beschäftigt zu tun, so dass er in der Redaktion der Gratiszeitung in der er arbeitet, in aller Ruhe seinen Kater auskurieren kann. 
Sein Motto ist es unsichtbar zu sein und so wenig Verantwortung wie möglich zu übernehmen. 
Bis eines Tages zwei unvorhersehbare Dinge geschehen und sein Leben auf den Kopf stellen. 
Er wird mit seinem 14 jährigen Sohn Manuel konfrontiert, von dessen Existenz er bislang nicht wusste und den er nun sechs Monate lang nachmittags betreuen soll. 
Manuel jedoch weiß nicht, wer Gerold in Wahrheit ist und lässt ihn seine Abneigung und den Unmut seine Zeit bei ihm im Büro verbringen zu müssen, deutlich spüren. 
Bis eines Tages eine geheimnisvolle Spende bei einem Obdachlosenheim eingeht, über das Gerold kürzlich berichtete. 
Im anonymen Umschlag befinden sich neben 10.000€ genau dieser Zeitungsausschnitt. 
Als diese Schenkungen sich mehren und immer ein Artikel Gerolds beigelegt ist, beginnen Vater und Sohn die Suche nach dem geheimnisvollen Wohltäter und berichten gezielt über Projekte, die ihnen am Herzen liegen. 
Diese Zusammenarbeit lockt Gerold langsam aber sicher aus seiner Lethargie und weckt ganz neue Ambitionen in ihm, nicht zuletzt wegen Manuels großem Engagement.

"Plassek, Plassek... Haben Sie einen Verwandten, der früher mal für die Rundschau geschrieben hat?" 
"Ja, das war mein blauäugiger kleiner Bruder, der Journalist werden wollte, um die Welt zu verbessern" , erwiderte ich. 
"Und was ist aus ihm geworden?", fragte sie. 
"Ich", sagte ich. 
S. 96

Dies war mein viertes Buch von Daniel Glattauer, und ich muss sagen, er schafft es immer wieder mich zu überraschen und zu begeistern. 
Sein wirklich charmanter Schreibstil macht es dem Leser leicht, sich in der Geschichte zu verlieren und auf angenehme Weise mit sozial kritischen Themen umzugehen.

Gerold Plassek war mir am Anfang derart unsympathisch, dass ich die ersten Reaktionen seines Sohnes auf ihn sehr gut nachvollziehen konnte. 
Es war wirklich herzerwärmend zu lesen, wie ein 14-jähriger Junge es schafft, diesen Mann aus seiner Starre herauszulocken und ihm ganz nebenbei an seine Prinzipien und seine Berufsehre zu erinnern. 
Man kann sagen, Manuel hat es vollbracht, Gerold die Augen zu öffnen. 
Nicht nur bezüglich seiner Arbeit, sondern vor allem für seine zwischenmenschlichen Beziehungen. Er wird sich der Verantwortung gegenüber seiner Tochter und sich selbst wieder bewusst und beginnt neues Vertrauen in die Menschen in seiner Umgebung zu schöpfen.

Die Suche nach dem geheimnisvollen Wohltäter rückte für mich schon fast in den Hintergrund, so spannend war die Verwandlung die mit Gerold vor sich ging.

Der unsympathische Loser Gerold Passek wurde für mich definitiv zum Antiheld und hat sich meine Bewunderung für seine ungeahnte Stärke und sein Vertrauen verdient.

Fazit

Geschenkt ist erneut ein wirklich gelungener Roman von Daniel Glattauer. Eine packende Geschichte rund um realitätsnahe Charaktere mit sozialkritischem Einschlag, der aber nicht die Leichtigkeit der Handlung beeinflusst und nicht zuletzt Gerold Plassek's schwarzer Humor machen dieses Buch zu einem Lesehighlight.