Rezension

Geschichte eines Berliner Modehauses

Das Lichtenstein - Marlene Averbeck

Das Lichtenstein
von Marlene Averbeck

Bewertet mit 5 Sternen

„...Sie erkannte, nach welchem Schnitt die Figur verlangte, welcher Stoff der Haut schmeichelte und welche Augenfarbe mit welcher Farbe betont werden konnte.Sie wusste, welcher Schnitt Leichtigkeit verlieh, welcher für Ernsthaftigkeit stand,was es bedurfte, lasziv zu wirken...“

 

Diese Sätze beschreiben Hedis Fähigkeiten. Doch erst einmal beginnt sie als Ladenmädchen im Warenhaus der Lichtensteins. Hier wird Mode geboten für fast alle Schichten der Bevölkerung.

Wir schreiben das Jahr 1913. Hedis Mutter ist nicht begeistert, dass ihre Tochter arbeiten will. Da sie aber Marianne Lichtenstein kennt, hat sie Hedi den Job versorgt.

Im Hause Lichtenstein allerdings prallen zwei Fronten aufeinander. Ludwig Lichtenstein setzt auf deutsche Mode und das althergebrachte Image des Hauses. Jacob Lichtenstein träumt von Erneuerungen. Er möchte französische Mode nach Berlin bringen, sie allerdings nicht kopieren, sondern dem Zeitgeschmack anpassen. Deshalb fliegen ab und zu die Fetzen. Der Senior unterstützt das, was Geld bringt.

Die Autorin hat einen abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben.

Im Mittelpunkt stehen neben den schon genannten Personen noch Thea und Ella. Thea unterhält mit ihrem Lohn die Familie. Sie arbeitet im Hause Lichtenstein an der Nähmaschine in der Konfektionsabteilung und nimmt sich bald Hedis an.

Ella ist Hedis Freundin. Sie hat ihre Familie in Wien verlassen, um in Berlin eine Karriere als Schauspielerin anzugehen. Gerade bekommt sie ihre erste Hauptrolle.

Die Autorin stellt in jedem Kapitel eine andere Person in den Mittelpunkt. Dadurch wird das Geschehen vielfältig, denn jeder bringt seine eigenen Ansichten ein.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er ermöglicht mir einen Blick in die Mode der damaligen Zeit. Gleichzeitig erfahre, welche weiteren Kaufhäuser es in Berlin gibt und welche Wege diese gehen. Für das Lichtenstein formuliert Jacob:

 

„...Im Lichtenstein war Mode Politik. Alles, was die Gesellschaft bewegte – seien es die Frauen und ihre Forderungen nach mehr Freiheiten oder das Verwischen der gesellschaftlichen Schichten, weil vor allem die Angestellten an Einfluss gewannen […] - einfach alles stand zur Diskussion, wenn Ludwig und er einen Schnitt diskutierten...“

 

Ich darf Hedis Entwicklung und Ellas Erfolge miterleben. Doch dann scheint alles vergebens. Es brennt im Lichtenstein. Wird es einen Neuanfang geben? Wer die obige Jahreszahl mit Bedacht liest, weiß, dass selbst bei einem Neuanfang schon die nächste Katastrophe vor der Tür steht. Im Ersten Weltkrieg brauchte man andere Dinge als schöne Kleider.

In einem Brief an seine Freundin Helene schreibt Jacob aus Paris:

 

„...Doch der Brand hat vieles zerstört – auch verkrustete Strukturen...“

 

Natürlich spielt auch die Liebe eine Rolle. Besonders schwierig ist das bei Jacob und Helene. Jacob ist Christ, Helene Jüdin. Das ist aber nicht das einzige Problem zwischen beiden.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.