Rezension

Geschichten aus der DDR

Inhalt: Äußerst bedenklich
von Johanna Marie Jakob

Beschreibung:
Die Großmutter ist eine Schmugglerin. Ihre Enkelin hat eine Freundin, die einen Totenkopf besitzt. Einen echten. Die Postfrau weiß, dass weihnachtliche Pakete Charakter haben und der Fleischer will nicht immer nur Fett essen.
Aus dem Blickwinkel der kleinen dörflichen Welt erzählen die Geschichten leise und genau: Vom Blick eines Kindes in den Schrank des katholischen Pfarrers, vom Erinnern der Verkäuferin aus dem Konsum, die einmal im Intershop gearbeitet hatte. Oder dem Tankwart, der auf Ablösung wartet. Und zwischen allen ein zotteliger gelber Hund. Irgendetwas stimmt nicht mit seinem Ohr.
Geschichten wie Mosaiksteine aus den achtziger Jahren in der DDR. Vor und nach der Wende. Keine Sentimentalität, ein präzises Erzählen zwischen Gegenwart und Vergangenem. Historisch für die einen und wahrhaftig für die anderen. Lebensbilder aus einem ausklingenden Land.

Die Autorin:
Johanna Marie Jakob (Simone Knodel) lebt in einem beschaulichen Dorf im Südharz, direkt am Fuße der Burg Lohra.
Seit ihrem Studium der Mathematik und Physik arbeitet sie als Lehrerin, heute an einem Nordhäuser Gymnasium.
2004 erschien ihr erster historischer Roman "Adelheid von Lare", 2008 dann "Radegunde von Thüringen", beide im amicus-Verlag.
Es folgte "Das Geheimnis der Äbtissin" (Droemer Knaur 2012) und 2014 der Roman "Taterndorf", der ebenfalls auf historischen Fakten basiert.
2015 erschienen in Zusammenarbeit mit anderen Thüringer Autoren das Kinderbuch "Bis bald im Wald" und beim Droemer Knaur Verlag der historische Roman "Das Erbe der Äbtissin".
Im Herbst 2017 gab der Verlag tasten&typen ihre Kurzgeschichtensammlung "Inhalt: Äußerst bedenklich" heraus.

Meine Meinung:
Da ich selbst in der DDR aufgewachsen bin bzw. diese noch als Kind erlebte und noch viele Erinnerungen daran habe, fühle ich mich mit solchen Geschichten sehr verbunden.
Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich das Buch von Johanna Marie Jakob entdeckte.

Die kurzen Geschichten erzählen von einer Welt im Osten, die ihre ganz eigene war. In der man sich über kleine Dinge freute, in der man tricksen musste, um etwas für den täglichen Gebrauch nutzen zu können, in der Beziehungen bedeutete, ein bisschen mehr Lebensqualität zu haben. Und auch die Schattenseiten werden somit eingehend beleuchtet.

Interessant fand ich, dass die einzelnen Erzählungen eigentlich zu einer gehören, denn sie bauen aufeinander auf und führen die Entwicklungen immer weiter.
Sie drehen sich um Eva und ihre Familie, um die Bewohner des Dorfes, die Postfrau, den Wirt.
So wird zum Beispiel davon berichtet, wie raffiniert über die Grenze geschmuggelt wurde, was man sich ausdachte, damit Arzneien und schicke Ohrringe nicht entdeckt wurden.
Dann die beliebten Westpakete - aus der Sicht der Postfrau, und wie sie rackern musste, um diese zuzustellen. Und wie groß die Kinderaugen wurden beim Auspacken.

Der Duft des Intershops liegt auch mir immer noch in der Nase.
Eine Verkäuferin erlebt ihre Arbeit dort und dann im Konsum, als sie versetzt wird. Nüchtern zieht sie Bilanz, was es gab und was nicht. Wie sie das Beste aus allem machen musste, was zur Verfügung stand.

Das heimliche Lesen der Bravo, das Tauschen der Poster, sogar Tintenkiller waren verboten - penibel und äußerst genau wurde damals darauf geachtet, dass diese kapitalistische Ware nicht das sozialistische Gedankengut beschmutzte.
Umso mehr freute sich jedes Kind über geheime Dinge wie Schallplatten oder wenn der Westbesuch mal etwas mitbrachte, was sonst verboten war.
Das waren Zeiten, die sich andere, die nicht in ihnen lebten, vorstellen können.
Und mittendrin trifft man immer wieder auf Jello, den gelben Hund, der sich wie die Bürger der DDR tapfer durchs Leben schlägt.

Das Glossar am Ende fand ich sehr gelungen. So finden sich auch Nichtkenner mit den Begriffen schnell zurecht.

(N)ostalgie pur - wunderbar erzählerisch verpackt in sechzehn Geschichten, die das Gefühl der ehemaligen DDR wiederaufleben lassen.

5 Sterne.