Rezension

Geschichten und die Welt von Kamtschatka

Das Verschwinden der Erde
von Julia Phillips

Bewertet mit 5 Sternen

Verschwindende Erde. Verschwindende Mädchen. Sterbende Traditionen. Gebrochene Beziehungen. Vergangene Geschichte.

Das Verschwinden der Erde von Julia Phillips ist ein außergewöhnlicher Roman. Im Mittelpunkt des Buches steht das Rätsel um zwei kleine vermisste Mädchen, aber die typische Aufklärung des Entführungsfalls bleibt aus. Es gibt in diesem Buch eigentlich überhaupt nichts Typisches.

Auf der abgelegenen Halbinsel Kamtschatka in der Stadt Petropawlowsk-Kamtschatski werden die Geschwister Aljona und Sonija entführt. Die zwei Mädchen steigen in das Auto eines Fremden und werden dann vermisst. Ihr Verschwinden und die Aufklärung der Umstände dieses Verbrechens bleibt jedoch meist im Hintergrund für die vielen verschiedenen Geschichten, die darauf folgen.

Das Verschwinden der Erde kann fast wie eine Kurzgeschichtensammlung gelesen werden, wobei alle Geschichten auf die vermissten Mädchen anspielen oder von ihnen beeinflusst sind. Ich habe viele verschiedene Charaktere kennengelernt, die sehr voneinander abweichen und das Leben auf Kamtschatka aus einem jeweils anderen Blickwinkel erzählen und wie sich das Verschwinden der Mädchen auf alle auswirkt. Doch im Laufe der Zeit verblasst der Entführungsfall und verschwindet mehr und mehr aus dem Gedächtnis.

Durch die kurzen Kapitel konnte die Autorin viele verschiedene Themen aufgreifen, wie z.B. die postsowjetische Gesellschaft, Rassismus gegen die Ureinwohner und Homophobie.

Die Schilderung von kleinen Dörfern und den indigenen Volksgruppen mit ihren Tänzen und Bräuchen haben eine Stimmung erzeugt, die den ganzen Roman durchdringt. Es war weniger ein Thriller, mehr ein Roman mit einem Thriller Hintergrund, der sich auf die verschiedenen Charaktere konzentriert.

Es war für mich trotz etwas anderer Erwartungen eine schöne Lektüre und ich habe einiges über Kamtschatka, die dort beheimateten alteingesessenen Völker und ihre Kultur sowie über die Kleinstadtpolitik in Russland nach dem Fall der Sowjetunion gelernt. Deshalb vergehe ich gerne eine Leseempfehlung und fünf Punkte.