Rezension

Geschwister

Eins - Sarah Crossan

Eins
von Sarah Crossan

Bewertet mit 4 Sternen

Tippi und Grace sind hübsche und intelligente Mädchen, Zwillinge. Siamesische. An der Hüfte zusammengewachsen. Sie haben ihr Schicksal akzeptiert, mögen ähnliche Dinge, hassen es aber, angestarrt oder als Freaks fotografiert zu werden. Ärzte haben ihnen eine Lebenserwartung von zwei Jahren zugebilligt, inzwischen sind sie 16. Da Hausunterricht zu teuer und der Vater zudem arbeitslos ist, sollen Beide auf ein öffentliches Gymnasium. Wenig begeistert, finden sie in ihrer zugeteilten "Patin" Yasmeen und Jon Freunde. Yasmeen ist selbstbewusst, fürsorglich und HIV-positiv. Grace verliebt sich in Jon. 
Das Geld wird immer knapper, der alkoholkranke Vater ist unberechenbar, die Mutter verliert einen ihrer zwei Jobs, auf alle Extras muss verzichtet werden, alles, was an Geld vorhanden ist, wird in die medizinische Betreuung der Zwillinge gesteckt. Was sie bisher vermieden haben - mit ihrem Aussehen Geld zu verdienen- soll jetzt umgesetzt werden. Grace und Tippi schließen einen Vertrag mit einem Fernsehsender. Reporterin Caroline soll ihren Alltag begleiten und dokumentieren.
Doch der Gesundheitszustand der Mädchen verschlechtert sich rapide, das Herz von Grace wird immer schwächer. Wie geht es weiter: nur eine chirurgische Trennung, ungewollt von Beiden, und eine Herztransplantation ermöglichen Weiterleben. Die Mädchen werden langsam auf diese riskante OP vorbereitet. Unerwartet mitfühlend und verständnisvoll werden sie von Caroline untertützt, die neugierige Kamera bleibt aussen vor.
Die Operation geht schief, Tippi stirbt. Grace, ihre Familie und Freunde bleiben in tiefer Trauer zurück. Diesen Verlust kann und wird Grace nie überwinden.
Sehr sensibel, aber ohne Pathos beschreibt Sarah Crossan das Leben der zusammengewachsenen  Zwillinge, ihre Gedanken und Gefühle, die täglichen Schwierigkeiten, Reaktionen der Umwelt, die Liebe der Schwestern zueinander, die gegenseitige Rücksichtnahme. Schön, dass sie ihnen Freunde zur Seite stellt, die sie nicht als Monster ansehen.
Das Buch gibt durch Seitengestaltung, die nur wenig Text und viele Absätze enthält, viel Zeit für Gedankenpausen und zum Nachdenken.
Sehr anrührend, ein Plädoyer, Anderssein weder zu ignorieren noch abzulehnen, sondern einfach einzubeziehen in das alltägliche Leben.