Rezension

Gestörte Wahrnehmung oder Wirklichkeit?

Der Teufel von Mailand - Martin Suter

Der Teufel von Mailand
von Martin Suter

Bewertet mit 4 Sternen

Wie in vielen seiner Romane erzählt Martin Suter auch in „Der Teufel von Mailand“ die Geschichte eines Menschen, der eine Bewusstseinsveränderung erlebt und in eine Identitätskrise gerät. Neurologisches Leitthema ist diesmal die Synästhesie: Sonia hat sich gerade erst von ihrem gewalttätigen Ehemann getrennt und ist ein bisschen durch den Wind. Nach einem LSD-Trip spielen ihre Sinne verrückt: Sonia schmeckt auf einmal Formen, fühlt Farben und sieht Geräusche. Um ihr Gemüt zu beruhigen, plant Sonia eine Auszeit. Sie nimmt eine Stelle als Physiotherapeutin in einem gerade erst eröffneten Wellness-Hotel im Engadin an. Allerdings kommt Sonia dort erst recht nicht zur Ruhe. Die ursprüngliche Bergwelt überfordert sie, die Dorfbevölkerung scheint Fremden gegenüber eher abgeneigt und dann geschehen auch noch mysteriöse Dinge, die alle an die Unterengadiner Sage um den Teufel von Mailand erinnern. Bald weiß Sonia nicht mehr, ob ihre überreizte Wahrnehmung an allem Schuld ist oder ob ihr jemand das Leben zur Hölle machen will. Der Roman besticht wieder einmal durch Suters Schreib- und Erzählstil. Die Sätze sind direkt, auf den Punkt gebracht und ohne Schnörkel. Gleichzeitig schafft er es prägnante Bilder und eine einzigartige Stimmung zu kreieren. Auch die einerseits magische, andererseits etwas düstere, unheimliche Szenerie in dem Schweizer Bergdorf ist großartig gelungen. Die Figuren sind komplex und interessant. Nicht ganz so gut gelungen ist Martin Suter diesmal die Konstruktion seiner Geschichte. Trotz guter Idee, Spannung sowie toller Sprache und Atmosphäre bleibt am Ende ein fast belangloser, eher durchschnittlicher Psycho-Krimi mit ein bisschen Ehedrama. Suter-Einsteiger sollten auf jeden Fall erst zu einem anderen Buch greifen. Suter-Kenner kommen trotzdem auf ihre Kosten.