Rezension

Gestrandet in Süd-Georgien

Herz auf Eis
von Isabelle Autissier

Bewertet mit 5 Sternen

Sie wollten die Welt umsegeln und auf ihrer Route Richtung Südafrika auf der unbewohnten Insel an der Küste Südgeorgien nur kurz mit dem Beiboot Station machen. Doch am anderen Morgen ist das Segelboot von Luise und Ludovic weg. Ihnen bleiben zwei Äpfel, einige Müsliriegel und eine gemeinsame Trinkflasche. Auf Höhe des südlichen 50. Breitengrades gibt es nichts als Eisberge, Felsen und die seit Jahrzehnten verlassene Walfangstation Stromness. Das Paar sitzt auf einer Insel fest, die so bald kein anderes Schiff ansteuern wird. Die groteske Situation malt sich bei der der Planung eins Segeltrips vermutlich niemand aus.

Von diesem Moment an gleicht die Beziehung des Paares einem verminten Gebiet; denn sie können nur gemeinsam überleben. Über ihr Überleben wird die Kombination der unterschiedlichen Stile entscheiden, mit denen jeder von ihnen auf die Situation reagiert. Ludovic war die treibende Kraft bei der Planung der Reise, hat Louise praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt. Doch der Lack seines Charmes blättert in Kälte und Eis bald. Während Ludovic sich noch nie im Leben für seine Ziele anstrengen musste, ist die unscheinbar wirkende Louise erfahrene Bergsteigerin, die seit Jahren mit einer festen Seilschaft unterwegs ist. Allein diese beiden Männer würden ihr zutrauen, kühl und überlegt zu reagieren. Doch zuerst dreht sich das Leben der Gestrandeten darum, nicht zu erfrieren und nicht zu verhungern. Es gibt Tiere auf der Insel, doch beide haben keinen Schimmer, wie man Fleisch trocknet oder haltbar macht. Als Louise beschließt, dass etwas geschehen muss, bevor sie vor Schwäche entscheidungsunfähig werden, nimmt die Handlung eine unerwartete Wendung.

Isabel Autissier hat selbst die Welt umsegelt und schreibt mit der Leidenschaft der Seglerin. Ihr Stimmungsbild vom südlichen Ende des amerikanischen Kontinents gleitet elegant hinüber in das Psychogramm von Menschen in einer Extremsituation.