Rezension

Getrennt durch eine Winzigkeit...

Die Einsamkeit der Primzahlen - Paolo Giordano

Die Einsamkeit der Primzahlen
von Paolo Giordano

Bewertet mit 5 Sternen

»Der große Roman einer unvollendeten Liebe.« La Stampa - In einer ebenso klaren wie poetisch-eindringlichen Sprache erzählt Paolo Giordano die herzzerreißende Geschichte von Alice und Mattia, die wie Primzahlzwillinge nahe beieinander stehen und doch immer durch eine Winzigkeit getrennt bleiben. Komplexe Seelenzustände schildert Giordano so genau, dass sie fassbar werden und uns tief berühren. Ausgezeichnet mit Italiens renommiertestem Literaturpreis: dem »Premio Strega«. Mit seinen 26 Jahren ist Paolo Giordano der jüngste Gewinner aller Zeiten.

Ein einziger Tag in ihrer Kindheit, so scheint es, hat über ihr ganzes Leben entschieden. An einem solchen Tag verlor Alice für immer ihre Unbeschwertheit und das Vertrauen zu ihrem halsstarrigen Vater. Mattia hingegen verlor mit sechs Jahren seine Schwester, deren Hilfsbedürftigkeit er ein einziges Mal, für wenige Stunden, missachtet hatte. Seither quälen ihn Schuldgefühle, die er niemandem offenbart.
Sieben Jahre später lernen Mattia und Alice sich auf dem Gymnasium kennen. Die Anziehungskraft zwischen den beiden scheint unwiderstehlich. Jeder erkennt im anderen die eigene Einsamkeit...

Wie Planeten in festgelegten Umlaufbahnen umkreisen sich Alice und Mattia fortan. Jeder gefangen in den Spuren, die das Drama der Kindheit hinterlassen hat. Alicia, die magersüchtige Fotografin, die sich von der Welt gemieden fühlt, und Mattia, der autistisch wirkende Mathematikprofessor, der die Welt meidet und sich immer wieder selbst Verletzungen zufügt... Eine Umwelt, die dem Gebaren der beiden nur Hilflosigkeit entgegenzusetzen hat - und die beiden, die einander nahe sind, voller Sehnsucht, doch die immer durch eine Winzigkeit getrennt bleiben.
"Mattia hatte gelernt, dass es Paare von Primzahlen gab, zwischen denen immer eine gerade Zahl stand, die verhinderte, das sie sich berührten. In Mattias Augen waren sie beide, Alice und er, genau dies: Primzahlen, allein und verloren, sich nahe, aber doch nicht nahe genug, um einander wirklich berühren zu können."

Der Leser begleitet die beiden Protagonisten auf dem Weg von ihrer Kindheit bis ins Erwachsenenleben. Dabei wechselt die Perspektive ständig zwischen Alicia und Mattia. Die Sprache ist einfach, bildhaft und doch distanziert - und dennoch berühren die Bilder und Gesten, die Paolo Giordano für die komplexen Seelenzustände findet und sie so fassbar macht.
Das Erkennen des anderen in seiner Einsamkeit, der Spiegel in den Augen des anderen - nicht zwangsläufig ergibt sich daraus eine Zweisamkeit. Unfähig, wirklich über Gefühle zu sprechen, verharrt jeder in seiner Starre, ist dem anderen so nah und gleichzeitig doch so fern. So manches Mal möchte man ihnen zurufen, dass sie endlich ihren Mund öffnen sollen, doch letztlich muss jeder seinen Weg gehen...

Ein poetisch anmutendes Buch über Einsamkeit und Sehnsüchte, melancholisch zuweilen, aber auch voller Hoffnung.
Für mich eine unbedingte Empfehlung und ein Favoritenstatus!

© Parden