Rezension

Gewöhnungsbedürftig, aber gut

Mexikoring
von Simone Buchholz

Bewertet mit 4 Sternen

Hansestadt Hamburg: Hier brennen des nachts Autos. Auch in dieser Nacht. Nur sitzt in dieser Nacht ein junger Mann in dem Auto, dessen Türen verriegelt sind, und erliegt seinen Verletzungen im Krankenhaus. Wer ist dieser Nouri Saroukhan? Und warum musste er sterben?

Das versucht die Staatsanwältin Chastity Riley mit einem Team vom LKA 44 und mit Kollegen aus Bremen herauszufinden.

 

Als ich mich für dieses Buch beworben habe, war mir nicht klar, dass es sich hier um den bereits 8. Band der Serie um die Hamburger Staatsanwältin handelt. Bis auf wenige Ausnahmen, die aber alle ins Private der Ermittlerin zielen, hatte ich nicht den Eindruck, dass mir irgendwelche Informationen fehlen. Ich habe dem neuen Fall hier gut folgen können.

Dies war der erste Fall, den ich zusammen mit Chastity Riley zu lösen versucht habe. Anfangs fiel mir das wegen der teils ungewöhnlichen Schreibweise der Autorin nicht leicht. Aber ich habe mich schnell an den gewöhnungsbedürftigen Stil herangetastet. Riley erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht in der Gegenwart. Das lässt mich noch näher am Geschehen dran bzw. mittendrin sein.

Wer ist dieser junge Mann, gebürtig aus Bremen, jetzt wohnhaft in Hamburg, der sich in jungen Jahren von seiner Familie losgesagt hat und dessen Leben nun zuende ist? Seine Familie stammt ursprünglich aus dem Nahen Osten vom Stamm der Mhallamiye in der Osttürkei, überall nur geduldet, ohne Pass, ohne Arbeitserlaubnis, kein sicherer Status – was teils noch heute so ist. Kam er wegen einer Clanfehde um? Hat es etwas mit seiner Freundin Aliza Anteli, die er schon aus Kindertagen kennt und die einem anderen Clan angehört, zutun? Die Geschichte führt mich tief in das Clanwesen ein, dass sich in diesem Fall zwischen Bremen und Hamburg abspielt. Alle sind sehr verschlossen, schotten sich nach aussen ab. Trotzdem erfahre ich einiges, was mich erschüttert und ich nicht glauben will, dass sich das in unserem Land, quasi vor meiner Haustüre, abspielt. Da man immer wieder von solchen Clans liest, finde ich die Geschichte an sich sehr interessant. Hier aber ist sie mir einfach noch nicht tiefgründig und ausführlich genug.

Ich habe eher den Eindruck, dass den größeren Teil der Geschichte die Staatsanwältin selbst einnimmt. Ich finde sie innerlich irgendwie zerrissen. Schlaflos, nach Anerkennung heisched, mit einem Hang zu zuviel Bier und Wodka, und vor allem mit einem großen, manchmal rotzfrechen Mundwerk ausgestattet, wird sie nicht zu meiner Freundin. Passt aber sehr gut zum Kiez und in die Umgebung der Menschen am unteren Rand unserer Gesellschaft. Vielleicht müsste ich sie aber auch nur etwas besser lennenlernen.

Insgesamt finde ich die Handelnden mit ihren Ecken und Kanten, ihrer Verletzlichkeit und ihrem knallharten Handeln gut und fassbar, eben richtig menschlich, beschrieben.

Ganz langsam fügen sich die Ermittlungsergebnisse zu einem große Ganzen. Nicht immer trifft das Offensichtliche zu und ich musste meine Meinung zum Fall das ein oder andere mal überdenken und ändern. Das Ergebnis ist etwas anders, als von mir erwartet.

Der Spannungsbogen ist in dieser Geschichte nicht sehr hoch angesetzt. Hat mich persönlich beim Lesen aber nicht gestört, da es sehr viel Interessantes zu verarbeiten gibt.

Ein interessanter Fall, ein ungewöhnlicher, für mich gewöhnungsbedürftiger Schreib- bzw. Erzählstil, macht zusammen gute Unterhaltung aus.