Rezension

Gewohnte Qualität

Am seidenen Faden - Joy Fielding

Am seidenen Faden
von Joy Fielding

Bewertet mit 4 Sternen

Die Romane von Joy Fielding haben mich persönlich als Leser immer schon fasziniert. Nun, da ich meine erste Rezension zu einem ihrer Romane schreibe, habe ich mich lange gefragt, warum das eigentlich so ist. In meiner Rezension will ich nun versuchen, meine Beweggründe in Worte zu fassen.

Zuallererst finden sich in Fielding's Romanen immer sehr starke, facettenreiche Frauen in der Rolle des Protagonisten. In diesem ist es Kate Sinclair - Familientherapeutin, verheiratet, zwei Kinder. Ihr gegenüber steht ihre Halbschwester Jo Lynn, die zwar nach außen hin sehr tough wirkt, sich am Ende aber doch als eher anders zeigt – jede weitere Erklärung wäre ein Spoiler.

Ich habe oft gelesen, dass die Rolle der Protagonistin nicht authentisch wirkt, da sie als Therapeutin ihr Privatleben mit ihrer pubertierenden Tochter viel besser auf die Reihe bekommen müsste und auch nicht so oft mit ihrem Mann in Streit verfallen würde, doch gerade das zeigt für mich eine Art Menschlichkeit, die jemanden in diesen Berufen wohl oft abgesprochen wird.

Für mich ist Kates Rolle sehr stimmig und auch die Art, wie sie sich mit Colin Friendly's Fall befasst, erscheint mir nicht zu weit hergeholt.

 

Auch dies ist etwas, was ich an Fielding's Romanen schätze. Sie sind nicht nach dem üblichen Prinzip aufgebaut – das heißt, es gibt keinen Polizisten, Ermittler, Detektiv in der Rolle des Protagonisten, woraufhin es alles viel persönlicher wirkt. Fielding schreibt über die Betroffenen, die, die sich „mittendrin“ befinden.

 

„Am seidenen Faden“ ist als eine Art Bericht verfasst worden, den Kate Sinclair an die Polizei verfasst – quasi nach dem Ende des Buches. Allerdings gibt es keine Erzählerrolle, die in diesen Bericht eingreift. Die Handlung verläuft flüssig, als würde sie aktuell geschildert. Dadurch, dass Kate Sinclair aber sehr in den behandelten fall von Colin Friendly, einem Mörder, verstrikt ist, setzt der Roman sich sehr lange mit der Geschichte ihrer Familie auseinander. Zwischenzeitlich kam es mir sehr langwierig vor, doch betrachtet man die Handlungsabfolge noch einmal nach Abschluss des Romans, macht es in meinen Augen doch Sinn.

Fielding's Charaktere sind alle sehr facettenreich und schlüssig „konstruiert“. So war mir besonders die langsam an Alzheimer erkrankende Mutter der Protagonistin aus irgendeinem Grund sehr sympathisch.

 

Für mich besteht kein Zweifel, dass Joy Fielding mit diesem Roman wieder ein sehr gutes, aber auch psychisch „hartes“ Werk geschaffen hat. Es gibt einige Sequenzen mit geschilderten Albträumen, die mir doch ab und zu eine Gänsehaut über den Rücken gejagt haben.