Rezension

Gianna - vom Mädchen zur Frau

Sterne über der Toskana - Karin Seemayer

Sterne über der Toskana
von Karin Seemayer

Bewertet mit 5 Sternen

1857 Toskana. Die 18-jährige Gianna di Raimandi, die Tochter von Silvana und Enrico sowie Antonellas Nichte, ist mit Angelo Castiglioni, dem Sohn des nachbarlichen Weinguts, verlobt und kann es gar nicht abwarten, diesen nach ihrem Abschluss am Institut für Damen wiederzusehen und bald zu heiraten. Doch die politische Lage in Italien macht ihr einen Strich durch die Rechnung, denn Angelos Familie steht auf der Seite der Habsburger, während Giannas Angehörige für die Befreiung Italiens ist und sich damit auf der Gegenseite platziert. Die beiden Liebenden sind die Leidtragenden, denn die Verlobung wird gelöst, und Angelo lässt das kampflos zu. Gianna ist untröstlich und findet in der Familie ihrer Tante Emilia Baratti in Genua einen Ort mit genügend Abstand, um sich von der Enttäuschung zu erholen. Dort lernt sie schon bald, dass nicht alle Männer gleich sind und manche durchaus Rückgrat besitzen. Wird sie ihr persönliches Glück finden?

Karin Seemayer hat mit „Sterne über der Toskana“ den dritten Teil ihrer Toskana-Reihe vorgelegt und diesen einer neuen Generation gewidmet. Die Verflechtungen der einzelnen Familienmitglieder und Protagonisten wird durch ein Personenregister vorab schon gut dargestellt, so dass der Leser bereits gut informiert in die Geschichte starten kann, wenn er die beiden Vorgänger nicht kennt. Der Schreibstil der Autorin ist wunderbar bildhaft, flüssig, atmosphärisch und mitreißend, so dass der Leser sich sofort in einem vergangenen Jahrhundert wähnt und an der Seite der Protagonisten aufregende Zeiten erleben darf. Die Autorin hat sehr akribisch recherchiert und lässt im Hintergrund ihrer Geschichte die historische Zeit Italiens wiederaufleben. So wird der Leser über die politischen Gemengelage sowie den Unabhängigkeitskampf des Landes gegen die verhassten Habsburger sehr gut informiert und darf auch kriegerischen Kampfhandlungen beiwohnen. Gleichzeitig schafft es die Autorin mit der Einarbeitung von unvorhergesehenen Wendungen, die Spannung durchweg hochzuhalten und den Leser zu überraschen. Die Handlung ist zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar und bietet Unterhaltung auf höchstem Niveau, was dem geschickten Händchen der Autorin zu verdanken ist, geschichtliche Ereignisse mit einer fiktiven Handlung zu verbinden sowie den Leser auch am gesellschaftlichen Leben und dem ganz normalen Alltag ihrer Protagonisten teilhaben zu lassen.

Die Charaktere sind liebevoll und detailliert ausgestaltet, sie wirken wie aus dem Leben gegriffen und überzeugen mit glaubhaften Eigenschaften und Entwicklungen, die es dem Leser leicht machen, sich mit ihnen gedanklich zu verbünden und ihre Gefühle zu eigenen zu machen. Gianna ist mit ihren 18 Jahren eine junge und verträumte Frau, der noch eine gewisse Naivität anhaftet. Doch innerhalb der Geschichte wird sie erwachsen, behält dabei aber ihr Temperament und ihre offene Art bei. Angelo ist ein arroganter Hasenfuß, ohne Rückgrat und Haltung versteckt er sich hinter seiner Familie. Mauro ist ein netter junger Mann, den eine lange Freundschaft mit Gianna verbindet. Er hat eine zurückhaltende, pragmatische Art und ist ehrlich und hilfsbereit. Aber auch Protagonisten wie Tante Emilia mit ihrer Familie oder Donata tragen zum Spannungspegel der Geschichte bei und lassen die Handlung durchweg sehr gut durchdacht und harmonisch wirken.

„Sterne über der Toskana“ ist der krönende Abschluss einer außerordentlich fesselnden historischen Familiensaga. Durch die herausragende Recherche und dem fesselnden Schreibstil der Autorin sowie deren Talent, Historie mit Fiktion zu verbinden, bekommt der Leser nicht nur eine Geschichtsstunde par excellence, sondern darf sich regelrecht als Teil der Handlung wähnen, so plastisch und realitätsnah wird diese während der Lektüre. Hierfür ist eine absolute Leseempfehlung mehr als verdient! Chapeau – besser geht es nicht! Bitte unbedingt mehr davon!