Rezension

Gilead

Die Zeuginnen - Margaret Atwood

Die Zeuginnen
von Margaret Atwood

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die kleine Nicole ist vor etlichen Jahren aus Gilead verschwunden. Inzwischen muss sie ein Teenager sein. In Gilead könnte sie zu einer Lichtgestalt hochstilisiert werden. Doch dazu muss sie gefunden werden. Das Regime in Gilead ist weiterhin an der Macht. Die Männer haben das Sagen, die Frauen sind auf ihre Fähigkeit Kinder zu bekommen reduziert. Eine Ausnahme bilden nur die Tanten, die als Bewahrerinnen der Geschichte fungieren und manchmal auch als heimliche Herrscherinnen auftreten. Tante Lydia, eine der Gründungstanten, ist immer dabei, die Fäden zu spinnen. Sie beobachtet genau und zieht ihre Schlüsse.

 

Wie lange kann ein totalitärer Staat bestehen, in dem es die Machthaber nicht schaffen, ihre Stellung nicht auszunutzen. Mit Leichtigkeit werden die Frauen in allen Lagen ausgenutzt und die wenigen Ausbrüche, die ihnen gegönnt werden, können nicht erstrebenswert sein. Doch noch halten die Unterdrückten still. Die Männer meinen, sie hätten das Heft in der Hand und manchmal benehmen sie sich wie die Axt im Wald. Aber sie sitzen fest im Sattel, so scheint es jedenfalls. Da ist es fast zu vernachlässigen, dass sich der Widerstand im fernen Kanada formiert. Wesentlich bemerkenswerter ist es für sie, wenn Mädchen aus Kanada oder anderen Ländern heimgeführt werden.

 

Lange Jahre musste man warten, wenn man in den 1980er Jahren vom „Report der Magd“ begeistert war, um zu erfahren, wie es in dem totalitären Staat Gilead weitergeht. Zum Glück hat sich das Warten gelohnt. Der Nachfolgeband, bestehend aus den lebendigen Berichten aus drei unterschiedlichen Perspektiven, ist wirklich sehr lesenswert. Gebannt verfolgt man die Berichte der verschiedenen Frauen und fragt sich, wie das alles zusammenhängt. Aus kleinen Hinweisen ergibt sich eine Einsicht ins große Ganze und die Suche danach macht die Lektüre ungemein spannend. Und immer wieder kommt das Hadern mit diesem fürchterlichen Staat, dem man nur ein Ende wünschen kann. Wie froh kann man sein, in einem freiheitlichen Staatsgebilde beheimatet zu sein. Dieser Roman bildet eine sehr gelungene Weiterentwicklung des Vorgängerbandes.