Rezension

Glas, so klar wie fest gewordenes Gebirgswasser

Das Geheimnis des Glasbläsers - Ralf H. Dorweiler

Das Geheimnis des Glasbläsers
von Ralf H. Dorweiler

Bewertet mit 4 Sternen

Toller Roman aus dem Spätmittelalter, eine lange Reise in geheimer Mission vom Schwarzwald über die Alpen nach Venedig und sogar bis Konstantinopel.

Anno Domini 1452: König Friedrich, der in Kürze zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gekrönt werden wird, feiert in Rom seine Hochzeit mit Eleonore. Gesandte aus allen Teilen der christlichen Welt wurden ausgesandt, um den Frischvermählten Geschenke und Glückwünsche überbringen. Das aufsehenerregendste Präsent überreicht Emilio Nani, Mitglied des Großen Rats von Venedig: zwei Trinkpokale aus kristallklarem Glas, genannt "Cristallo". Dieses Geschenk ist eine Sensation, denn in Friedrichs Herrschaftsgebiet kennt man nur grünes Waldglas. Friedrich ist so fasziniert, dass er seinem Kanzler aufträgt, den Venezianern das Geheimnis dieses Wunders zu entreißen.

Etwas später in Hauenstein: Simon, ein talentierter Glasbläser mit dem Hang, sich selbst in die Bredouille zu bringen, ist beim Waldvogt in Ungnade gefallen. Da der Reichskanzler Riederer gerade nach dem besten Glasbläser des Reiches sucht, um ihn als Spion nach Venedig zu schicken, wird kurzerhand Simon diese "Ehre" zuteil. Nur mit Ulf, einem recht einfach gestrickten Handlanger aus der Glashütte, und Lilli, einer Eselin, macht er sich auf, das Geheimnis der Cristallo-Herstellung zu lüften.

 

Derzeit sind historische Romane, die im Mittelalter angesiedelt sind, gar nicht so leicht zu finden, und noch schwerer wird es dann, einen richtig guten zu erwischen. Umso glücklicher bin ich, dass mir dieses Buch aufgefallen ist, was natürlich zuallererst am stimmigen Cover liegt, das sofort mein Interesse geweckt hat. Aber auch der Inhalt überzeugt: Von der ersten Zeile an war ich gefesselt von dieser prallen und farbenfrohen Geschichte über die lange Reise, die Simon und Ulf vom tiefsten Schwarzwald über die Alpen ins ferne Venedig und sogar bis ins von den Türken belagerte Konstantinopel führt.

 

Die liebevoll gezeichneten Figuren habe ich gerne begleitet, und mir gefiel besonders, dass es sich eben nicht um Adlige und Ritter handelte, sondern um einfache Menschen, die zum Spielball der Reichen und Mächtigen werden. Simon, der zwar außerordentlich talentiert, aber dennoch nur ein junger Handwerker ist, und Ulf, der von den meisten als zurückgeblieben und dumm wahrgenommen wird, obwohl er manchmal überraschend kluge Äußerungen macht, werden vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. Schon die weite Reise bis nach Venedig ist voller Gefahren, und die Betreiber der Glashütten auf der Insel Murano teilen ihre Geheimnisse natürlich nicht mit jedem dahergelaufenen Waldglasbläser, sondern hüten sie im Gegenteil wie ihren Augapfel. In Venedig macht Serena, die ein Freudenhaus ihr Eigen nennt, das Trio dann komplett. Obwohl alle drei sehr sympathisch sind, haben sie dennoch auch ihre Schwächen, was sie aber eben gerade authentisch wirken lässt.

 

Der einzige kleine Schwachpunkt des Buches ist die Krimihandlung um einen Serienmörder, der in Venedig sein Unwesen treibt. Leider kann ich das nicht vertiefen, ohne inhaltlich zu weit vorzugreifen, aber meiner Meinung nach hätte dieser Handlungsstrang noch Potential gehabt, das nicht ganz genutzt wurde.

Aber das Buch ist ja auch ein historischer Roman und kein historischer Krimi, und bringt als solcher auch alles mit, was ich als Leser erwarte: zum einen ein am Ende angehängtes "Dramatis personae", in dem die realen historischen Personen gekennzeichnet sind, und eine ausführliche Danksagung des Autors, die einen Einblick in die fundierte Recherche zu diesem Roman lieferte.

 

Insgesamt hat mich Ralf Dorweiler auf Anhieb überzeugt, denn "Das Geheimnis des Glasbläsers" ist ein richtig guter, fesselnder und vor allem unterhaltsamer Roman, der faszinierende Einblicke in die Glasherstellung gewährt, und den ich jedem Mittelalter-Fan ans Herz legen möchte.