Rezension

Glory and Gore ...

Angelfall - Susan Ee

Angelfall
von Susan Ee

Äußeres Erscheinungsbild:
Das Cover ist schlicht, aber macht dennoch (oder vielleicht deswegen) Eindruck. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Flügeln und macht von Anfang an klar worum es geht.
Der Titel und besonders der Untertitel verdeutlichen, dass die Engel hier nicht unbedingt die "good guys" sind.
Ich finde gut, dass sowohl Titel, als auch Cover nur minimal verändert worden sind. Hier ist der Gesamteindruck einfach stimmig.

Eigene Meinung:
Engel sind böse. Diese Idee für einen Engelroman finde ich sehr innovativ. Denn es ist Fakt, dass Engel eigentlich nicht die ätherischen, guten Wesen sind, zu denen sie von den Medien und Menschen gemacht worden sind. Sie sind Krieger Gottes. Ich bin nicht gläubig, aber wenn ich an Engel glauben würde, dann gebe es unter ihnen genau so viel Grautöne, wie es sie auch unter den Menschen gibt. Zu Anfang des Romans scheint es nicht mal diese Grautöne zu geben, sondern nur Schwarz - böse, dunkle Engel.
Doch durch Raffe scheint dem Leser gezeigt zu werden, dass auch hier in dieser postapokalyptischen Welt nicht alles Schwarz und Weiß. Nicht alle Engel sind böse, nicht alle Menschen sind gut.
Und dennoch ist das Valley zu einem sehr gefährlichen Ort geworden. Angst und Kampf sind das Alltagsbild. Gefahr lauert überall, egal ob in Form von gewalttätigen Gangs oder den zerstörerischen Engeln.
Engelromane scheinen momentan im Trend zu sein, dich in der Mehrzahl der Bücher sind es gute Wese. Ich finde es sehr gut, dass Ms Ee hier zu den Wurzeln dieser übernatürlichen Wesen zurückkehrt. Die Idee, dass die Heldin mit dem "Bösen" zusammenarbeiten muss um eine geliebte Person zu retten ist hingegen nicht neu, doch ihr Weg ist so spannend und faszinierend, dass ich darüber gerne hinweg sehen kann.

Die Handlung ist sehr linear und zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Die Spannung baut sich im Laufe der Geschichte auf und erreicht ihren Höhepunkt am Ende. Unterwegs und im Fortlauf ihrer Rettungsmission treffen die Protagonistin Penryn und ihr übernatürlicher Begleiter auf immer neue Herausforderungen und müssen sich vielen Gefahren stellen. Ich habe oft mit Penryn mitgefiebert und ihr die Daumen gedrückt. Der Wunsch ihre Schwester zu finden wurde von Seite zu Seite stärker.
Neben dem aufkeimenden Kampf gegen die Engel widmet sich Ee auch anderen, sehr realen und alltäglichen Dingen, die oftmals totgeschwiegen werden: die Schwester sitzt im Rollstuhl und die Mutter leidet an paranoider Schizophrenie. Ich finde es sehr gut, dass sie diesen beiden Themen Aufmerksamkeit schenkt und uns einen kleinen Einblick gibt. Auch geht sie nicht zu tief in die Materie und verliert nicht den Überblick über das Hauptthema, die Engel. Susan Ee hält die Waage sehr gut, denn ich bin sehr neugierig zu erfahren, was das zwischen der Mutter und Paige passiert ist. Ich denke im Folgeband erfährt man wieder die richtige Menge über die Schizophrenie.

Der Schreibstil war am Anfang nicht so flüssig, wie der aus manchen anderen YA-Romanen und doch konnte er mich sehr fesseln. Das kann an der sehr spannenden Art des Schreibens liegen oder auch an der Detailtiefe.
Das Geschehen ist teilweise sehr blutig und abartig geschrieben. Ich fand das gut, es wird in dieser düsteren Zukunft halt nichts schön geredet und dennoch kann ich mir vorstellen, dass das für einige zu viel ist und besonders jüngeren Lesern würde ich von dem Buch abraten. Allein wenn ich an einige kannibalistische Szenen denken muss oder die Wesen in den Tanks, dann kriege ich eine Gänsehaut. Ms Ee kann ganz hervorragend mit Worten spielen und den Übergang von "gore" zu Ironie schafft sie spielerisch.

Penryn ist keine Heldin im eigentlichen Sinne. Sie ist zwar aufopfernd, aber nur für ihre Schwester. Sie möchte diese zwar retten, doch nicht gleich die ganze Welt. Sie sorgt sich um ihre Mutter, würde sich für die jedoch nie für diese in Gefahr bringen. Penryn sorgt sich nur um ihr wichtige Menschen und würde ihr Leben nicht für Fremde lassen. Jedoch wird deutlich, dass man ihre Loyalität gewinnen kann - wie in ihrer Beziehung zu Raffy zu sehen ist. Sie ist sehr loyal, wenn man einmal ihr Vertrauen hat, dann verliert man das auch nicht so schnell. Sie ist nicht perfekt, sie ist wie du und ich und das macht sie sympathisch und zu einer großartigen Heldin. Man kann sich gut mit ihr identifizieren, man kann sehen, dass jeder über sich hinauswachsen kann.
Raffy wird am Anfang als Bösewicht vorgestellt, doch mit der Zeit legt er seine dunkle Hülle ab. Er ist nicht mehr der gebrochene, zu bemitleidende Superengel, sondern wird zu einem ganz normalen Kerl. Sein Humor lockert das Buch auf und seine Handlungen haben ihn von Seite zu Seite beliebter bei mir gemacht. Er lässt sich langsam hinter die rauhe Schale blicken und es wird klar: er ist ein ziemlich toller Typ. Nicht so düster und böse wie am Anfang beschrieben hat er sich zum Ende des Buches in mein Herz geschlichen.
Die Nebenfiguren bleiben im Gedächtnis. Besonders die Mutter, die auf dem schmalen Grad zwischen Cleverness und Madness balanciert macht Eindruck. Sie ist aufgrund ihrer Krankheit nicht eindeutig zuzuordnen. Sie ist sicher nicht böse, doch nicht immer kann man ihre gute Seite sehen. Ich habe mehrmals versucht mich in Penryn (im Bezug auf ihre Mutter) hineinzuversetzen, doch bin gescheitert.
Auch die Schwester Paige macht eine erschreckende Entwicklung durch und ich befürchte Böses für den 2.Teil. Selbst der für sie kämpfenden großen Schwester kommen erste Zweifel.

Paar wider Willen. Sind Penryn und Raffy am Anfang noch komplett von einander abgeneigt und nur eine reine Zweckgemeinschaft, so nähern sich die Beiden mit der Zeit doch an. Sie werden langsam Freunde und entwickeln Gefühle für einander. Dieses langsame Entwickeln von zarten Gefühlen macht diese aufkeimende Liebe so besonders. Es wird einfach nie kitschig. Dennoch verlieren sie nie ihren neu geformten Freundschaftsbuch.

Mit dem Ende des Buches endet der erste rote Faden der Handlung. Doch mit der Rebellion und den Geschehnissen rund um Paige kündigen sich schon neue Probleme an. Das Ende ist rund und hat nur so vor Spannung gestrotzt.

Fazit:
"Angelfall" sticht aus dem Einheitsbrei der Dystopien heraus. Hier wird eine düstere, graue und blutige Zukunft beschrieben ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Die Hauptcharaktere sind wahnsinnig menschlich mit Stärken und Schwächen. Der Plot besteht aus einem gut durchdachten roten Faden, der nur so vor Spannung strotzt. Die Ideen sind sehr tiefgründig ausgearbeitet worden und es werden einige sehr ernste Themen aufgegriffen.
4,5/5