Rezension

Gold oder Kind?

Gold
von Chris Cleave

Bewertet mit 4 Sternen

Eine Goldmedaille oder eine Tochter, die man lieben kann? Diese Frage stellen sich Zoe und Kate, seitdem sie das erste Mal auf einem Rennrad gesessen habe. Während Zoe um Gold kämpfen kann, muss Kate auf ihre kleine Tochter aufpassen. Jahre später bekommen beide Frauen wieder die Chance zu zeigen, wer die Beste ist. Aber kann ein Streit alles zerstören?

Ich war verwundert, wie leicht es ist sich in zwei Sportlerinnen hineinzuversetzen. Da muss Chris Cleave schon ziemlich gut sein. Was ich nicht mehr lesen kann, ist dieser Vergleich zwischen "Gold" und "Little Bee", denn diese Bücher können nicht verglichen werden. Während "Little Bee" vor Farbe und Lebenskraft strotze, sind es hier die leisen Töne, die Melancholie und die Traurigkeit, die wichtig sind. Wie soll das bitte vergleichbar sein?

Zoe und Kate haben beide Züge, die sich ähneln, aber auch viele Unterschiede, die sichtbar sind. Wie schwer muss es sein, ein Kind aufzuziehen, wenn die beste Freundin um Gold fährt? In beide Mädels konnte ich mich super hineinversetzen, habe gelitten, gelacht und mich geärgert. Wer mir zu kurz gekommen ist, ist Kates Mann, der eher blass am Rand vor sich hindümpelte.
Sophie, die kleine Tochter hat mich oft zum Lachen gebracht, weil sie Star Wars Fan ist und sogar Darth Vader treffen darf. Wer möchte das nicht?

Ich hätte mir nicht vorstellen können, wie lebendig die Olympischen Spiele sein können, wenn die Protagonisten in einem Velodrom sind. Aber die Atmosphäre wird super eingefangen. Von den jubelnden Fans bis zur Nervosität vor dem Start ist alles vorhanden, was der Leser vielleicht selbst noch nie erlebt hat. Er spürt es, er kann es erleben: Ich war auch in der Kabine bei Olympia.

In gewisser Weise geht es um den Kampf: Ruhm oder Familie - Liebe oder Anerkennung. Die Gewissensbisse der beiden Frauen, Kate und Zoe, sind dabei völlig nachvollziehbar. Wenn du Sportler bist und das mit Leib und Seele, willst du etwas erreichen. Die Beste sein und nicht die Letzte. Aber auch ein Kind ist ein Wunder und braucht viel Aufmerksamkeit. Wie ich mich entschieden hätte? Ich weiß es nicht. Ob ich an die Freundschaft zwischen zwei Konkurrentinnen glaube? Eher nicht. Aber da gibt es noch ein Geheimnis, das unter der Oberfläche brodelt und brodelt. Schnell ist es für den Leser erkennbar. Ob das ein Nachteil ist? Eher nicht, denn ich wollte immer weiterlesen, wissen, wie Kate denkt und Zoe fühlt. Aber im letzten Drittel des Romans gehen mir die melancholischen Stellen etwas an die Nieren und auf die Nerven. Ich wollte zwischen durch Phasen, in denen ich als Leser Luft holen kann.

Das Cover spricht für sich. Ich mag Schattenprofile sehr, die Farbe passt, da wurde nichts falsch gemacht. Ich weiß nur nicht, ob das Buch anders gewirkt hätte, wenn es keine Kapiteleinteilung gegeben hätte.

Ich vergebe vier Bücherpunkte, weil Chris Cleave mich in einigen Momenten sehr emotional mitgenommen hat. Er hat oft das richtige Gespür für skurrile Situationen und die richtige Prise Humor. Leider bin ich am Ende von einigen Personen "übersättigt" gewesen, sodass es heute nicht für die volle Punktzahl reicht.