Rezension

Grandios

Chaos - David Mitchell

Chaos
von David Mitchell

Bewertet mit 5 Sternen

Geniale Ideen, ungewöhnliche Handlungsstränge und phänomenale Protagonisten

Wenn ich Chaos damals gelesen hätte, als der Episodenroman schienen ist, hätte ich mich gefragt, was nach so einem grandiosen Debüt noch kommen soll. Die Ideen, die der Autor aufgreift, sind bemerkenswert frisch, philosophisch und erzählerisch grandios ausgearbeitet. Unter anderem spielen mit: ein U-Bahn-Terrorist, ein Finanztyp, der einen Geist sieht, eine alte Frau, die die Wirren der Kulturrevolution in China durchlebt und mit einem Baum redet (der auch noch antwortet), eine russische Kunstdiebin, eine KI – und ein bisschen Quantenphysik ist auch dabei. Es ist schon ein kleines Wunder, das alles logisch, nachvollziehbar und intelligent unter einen Hut zu bringen.
Besonders die Charakterzeichung der Kunstdiebin hat mich nachhaltig beeindruckt. Nachdem auch dieses Kapitel aus der Ich-Perspektive erzählt wird, ist so etwas ja wirklich schwer – am Anfang glaubt man ihr alles, was sie über sich selbst erzählt und dann blättert so langsam der Lack ... So meint man am Ende des Kapitels die Protagonistin besser zu kennen als sie sich selbst.

Wenn man vorher schon den Wolkenatlas gelesen hat, dann trifft man wieder auf „alte Bekannte“. Chaos scheint ein „Spin-off“ zum Wolkenatlas zu sein. Mitchell ist damit wirklich ein Weltenerschaffer, der den Leser in ein durchaus mögliches und keineswegs absurdes Paralleluniversum mitnimmt. Und gerade bei Chaos fühle ich mich deswegen an Haruki Murakami erinnert – nur eben auf „Britisch“. Ich bin absolut entzückt!