Rezension

Grandios & außergewöhnlich

Liebten wir
von Nina Blazon

Bewertet mit 5 Sternen

Ich hatte ganz andere Erwartungen. Nina Blazon hat mich einmal mehr überrascht: Mir hat das Buch noch so viel besser gefallen als anfangs gedacht!!

"Liebten wir" hat Tiefe - regelrechte Untiefen sogar. Und es beschert absolute Lesefreude, diese auszuloten. Begann ich meine Lektüre in dem Glauben eine Liebesgeschichte mit einer schön-sperrigen Protagonistin zu durchleben, so wurde ich schnell eines besseren belehrt: Mo' s Geschichte ist eine andere und auch ihre Liebe gilt vorrangig anderem und anderen als zunächst angenommen. Als also ihre Welt dramatisch zusammenbricht und sie aus ihrer Komfortzone (die sowieso nie richtig komfortabel war) gestoßen wird, fängt das (Lese-)Abenteuer so richtig an. Statt Liebesdrama zwischen Mo und Leon bekam ich vielmehr Roadtrip mit Mo und Aino, der Großmutter von Ex-Freund Leon. Kaum hat man mit den beiden finnischen Boden unter den Füßen, beginnt ein Krimi, der sich gewaschen hat. Denn Aino hat ein Ziel: Die Spur ihrer Jugendfreundin Mathilde verfolgen, die sie seit dem Krieg nicht mehr gesehen hat. Und auch Mo hat Rätsel zu lösen, wenn auch weitaus unfreiwilliger, denn sie hat eine wahre Büchse der Pandorra geerbt, die längst vergangenes und vergessen geglaubtes Unrecht zeigen wird...

Feste hält Nina Balzon alle Erzählfäden in der Hand und hat mehrere Wendungen in petto, die für Überraschung sorgen. Schöne Leitmotive sind dabei zum einen die Fotografie. Mo ist freie Fotografin und Frau Blazon schafft es durch die Beschreibung ihrer Blickwinkel und Bildausschnitte auch im Leserkopf grandiose Bilder zu malen. Leons Schwester fühlt sich dieser Kunstform ebenfalls berufen, was zu Beginn zu fiesen Spannungen beim Familientreffen führt. Auch Aino hat zu Analogzeiten gerne Erinnerungen mit ihrer Rollei festgehalten, ihre Aufnahmen werden eine große Rolle spielen. (Wem das noch zu wenig ist, dem sei Nina Blazons Website ans Herz gelegt, wo die Fotos der Recherche-Reise nach Finnland viele Leseeindrücke im Nachhinein illustrieren.) Das andere Motiv ist das Wasser: Mal das Meer als positive Besetzung mit schönen nordischen Mythen gewürzt, mal der Waldsee als Negativ-Pol mit all seinen gruseligen Möglichkeiten für die Krimihandlung. 

Wer also Lust hat, auf eine kluge, spannende und außergewöhnliche Geschichte, in der die Liebe viel Platz findet, aber eben ganz unkitschig & auch mit all ihren Schattenseiten sowie ihren verschiedenen Ausprägungen (wie Geschwisterzugehörigkeit, Zuneigung zwischen Großeltern- und Enkelgeneration oder eben auch die Liebe auf den ersten Blick zwischen völlig Fremden...), der ist hier genau richtig.