Rezension

Grandios erzählt

Herz auf Eis
von Isabelle Autissier

Bewertet mit 5 Sternen

"....denn die Errungenschaften ihrer entwickelnte Zivilisation haben sie von diesem tausendjährigen Naturverständnis abgeschnitten, überlieferten Wissen, mit dem der Mensch in der Lage war, von nichts zu leben.Die Zivilisation hat ihm mehr Komfort und ein längeres Leben beschert, aber durch die Perfektion hat sie ihm auch ein paar Lebensgrundsätze vergessen lassen, ohne die Louise und Ludovic nun völlig hiflos dastehen. " (Zitat, S. 102/103)

Louise und Ludovic sind ein Paar, sie leben in Paris. Doch Ludovic kommt beruflich nicht weiter, er möchte allem entfliehen und lieber die Welt entdecken, einfach mal aussteigen. Er kann Louise überreden und so startet ihre einjährig geplante Segeltour. Alles läuft am Anfang wunderbar, sie erleben viel, sehen viel. Doch dann laufen sie eine einsame, verbotene Insel an. Doch ihr Ausflug dorthin endet in einer Katastrophe. Auf ihrer Wanderung dort werden sie von einem Sturmtief überrascht und als sie zurück am Meer sind, müssen sie mit Entsetzen feststellen, dass ihr Schiff nicht mehr da ist.
Ein Albtraum beginnt, bei dem sie immer mehr feststellen, dass der Kampf ums Überleben ihnen alles abverlangt und die Grenzen der Menschlichkeit, ihre bisherigen Ansichten und Gewohnheiten, immer mehr verschwinden.

Die personale Erzählperspektive nimmt den Leser gefangen, er fühlt mit, er weiß nicht, wie es ausgeht. Dennoch kann die Autorin Isabelle Autissier uns dadurch die Gedanken, die Gefühle und die verschiedenen Antriebe der Protagonisten, ihre wechselnden Stärken und Schwächen, eindringlich und emotional vermitteln.
Der Focus liegt zwar verstärkt auf Louise, aber nicht ausschließlich.

Sie baut die Geschichte langsam auf, Louise und Ludovic werden eingeführt, vorgestellt, beschrieben. Das ist wichtig für ihre späteren Handlungen. Der Sog, das Buch immer weiter lesen zu wollen, es nicht aus der Hand zu legen, wird immer größer. Dabei ist es mitunter keine leichte Kost, die die Autorin uns da zu bieten hat. Nicht immer ist es leicht, sich die Aktionen, das Geschriebene, auch bildlich vorzustellen. Das Buch fesselt, weckt auch beim Leser Emotionen,schreckt ab,  geht unter die Haut, berührt, lässt einen Grübeln und auch nach dem Ende nicht los. Ein Buch, dass an die Grenzen der Menschlichkeit geht, extreme Erfahrungen und die Frage, wie geht man damit um. Zweifellos fragt sich jeder Leser, wie er in der ein oder anderen Situation reagiert hätte, wie weit er gehen würde.

Sprachlich präzise, auf den Punkt gebracht, knapp, aber dennoch ausgefeilt, versteht es Isabelle Autissier den Leser zu fesseln und durch diese Geschichte eine ganze Bandbreite an Gefühlen zu wecken. Für mich war es ein sehr intensives Leseerlebnis. Ein grandioses Leseerlebnis.
Ein Buch, dem ich gerne mehr als 5 Punkte gegeben hätte, es hätte viel mehr verdient.

Kommentare

LySch kommentierte am 09. März 2017 um 18:56

Sehr schöne Rezi! Macht mir jetzt richtig Lust auf das Buch :)