Rezension

Grandiose Fortsetzung

Die Zeuginnen - Margaret Atwood

Die Zeuginnen
von Margaret Atwood

Bewertet mit 5 Sternen

Tiefe Einblicke in den totalitären Staat Gilead, der den ersten Teil abrundet.

Die Zeuginnen von Margret Atwood ist die Fortsetzung des Bestsellers „Der Report der Magd“. Zeitlich sind einige Jahre in der Geschichte vergangen. 

Anders als im ersten Teil, bekommen wir nun einen Blick auf die Welt von Gilead aus mehreren Perspektiven erzählt.

Eine davon ist Tante Lydia, die wir schon aus dem ersten Teil kennen. Eine weitere Zeugin ist Agnes die in Gilead geboren wurde und in der Oberschicht aufwächst. Die letzte im Bunde ist Daisy, die in Toronto aufwächst, außerhalb des Staates Gilead. 

Die unterschiedliche Sicht auf die Vorkommnisse durch die drei Zeuginnen fand ich ausgezeichnet. Man bekommt einen umfangreichen Eindruck und es wurden für mich einige offene Fragen vom ersten Buch beantwortet. 

In der „Report der Magd“ hatte ich das Gefühl es geht "nur" um Gut gegen Böse. In diesem Band ist es viel differenzierter. Hier haben die vermeintlich „Bösen“ auch ihre guten Seiten bzw. man konnte ihr Verhalten sehr gut nachvollziehen. Letztendlich waren sie auch Gefangene dieses Systems. Das hat mir unglaublich gut gefallen und wirft noch mal ein ganz anderes Bild auf Gilead. 

Aus der Sicht von Tante Lydia erfahren wir mehr über den Aufstieg und den Fall von Gilead. Sie spricht zu uns als Leser in einer Art Tagebuch direkt an. Sie zeigt uns ein Bild auf das Machtgefüge. Ich fand es sehr interessant zu erfahren, dass die Tanten doch mehr Macht besitzen als ich vermutet habe. Tante Lydia war in ihrem Leben vor Gilead Richterin und zuerst habe ich mich gefragt, wie kann eine so gebildete Frau, dieses Gewaltregime unterstützen. Aber es ist interessant zu sehen, wozu der Mensch bereit ist und wie schnell er sich anpasst um zu überleben. Ich habe das ein oder andere Mal gedacht: „ Ja, vielleicht hättest du genauso gehandelt“ Sie ist sehr geschickt im Manipulieren und sammelt außerdem Beweise, die Sie einzusetzen weiß um am Leben zu bleiben aber auch um das zu bekommen was sie braucht. Ihre Sicht fand ich am spannendsten. In „Der Report der Magd“ war sie für mich ein sehr eindimensionaler Charakter, sie hat ganz viel an Komplexität dazu gewonnen.  

Auch Agnes Sicht fand ich ganz fantastisch. Man bekommt so viele kleine Einblicke in die Oberschicht von Gilead. Und fragt sich, wie bereits im ersten Teil, wie ein so fortschrittliches Land einen so großen Rückschritt machen konnte. Mädchen „lernen“ nur Handarbeit und Malen, für Lesen und Rechnen ist ihr Gehirn zu klein. Verliert das Mädchen vor der Ehe ihre Unschuld wird es gesteinigt. Dies sind nur kleine Einblicke. 

Also selbst in so einer hohen Stellung in diesem System, ist man gefangen und man muss auf sein Leben aufpassen. 

Aus Daisys Sicht bekommen wir einen Einblick wie der Rest der Welt Gilead sieht. Wie die anderen Länder es mehr oder weniger hinnehmen. Wir bekommen ebenso einen interessanten Eindruck über die Perlenmächen und zur Widerstandsbewegung Mayday.  

Fazit: Eine fantastische Fortsetzung die einen tiefen Einblick auf Gilead gibt. Interessante und komplexe Charaktere, die nicht nur schwarz/weiß gezeichnet sind, sondern in Grautönen.   

Vielen Dank an den Piper Verlag. Ich habe das Buch bei einer Buchverlosung bei Lovleybooks gewonnen.