Rezension

Grandiose Idee, die in den Hintergrund trat

Der Platz an der Sonne - Christian Torkler

Der Platz an der Sonne
von Christian Torkler

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die kurze Inhaltsangabe des Buches hat mich sofort fasziniert. Der Autor Christian Torkler hat eine fiktive Welt, die sehr an unsere Welt erinnert und doch ganz anders ist. Berlin ist weiterhin Hauptstadt, aber nicht von Deutschland, sondern der Preußischen Republik. Deutschland ist zerstückelt und arm. Es gibt eine kleine reiche Oberschicht und der Rest der Bevölkerung versucht mehr oder weniger über die Runden zu kommen. Protagonist Josua ist ein Antiheld, gehört eindeutig zu den Verlieren. Vater verschollen, wahrscheinlich tot. Seine Mutter versucht mit harter Arbeit ihn und seine Geschwister durchzubekommen. Josua will aber kein Verlierer sein und versucht alles, um sein Leben zu verbessern. Die Geschäfte laufen einigermaßen, er hat eine kleine Familie, aber ein schreckliches Ereignis zerstört alles und Josua will in den Süden, um dort endlich sein erträumtes Leben zu finden.

Während der erste Hälfte des Romans in Berlin spielt und die täglichen Schranken, die der Staat den Menschen aufzeigt, sehr genau beschrieben werden. Ich wurde oft an das Leben in der DDR erinnert. Die zweite Hälfte dreht sich um die gefahrvolle Flucht von Josua in den Süden. Die Flucht war wirklich sehr spannend beschrieben. Ich hatte richtig mitgelitten, als Josua immer wieder vom Pech verfolgt wird, aber dann auch wieder unsagbares Glück hat.

Aber trotz gewählter Ich-Perspektive fiel es mir schwer Zugang zu Josua zu finden. Ihm fällt es sehr schwer Emotionen zu zeigen. Ob es eine Form von Schutz ist vor den schrecklichen Ereignissen, die ihn treffen? Jedenfalls fehlten mir ein wenig die Emotionen. Die Idee, die Machtverhältnisse in diesem Roman umzukehren, also das Afrika, der erfolgreiche Kontinent und Europa der Verlierer fand ich sehr spannend. Leider gibt es wenige Hintergrundinformationen vom Autor, wie und warum es sich so entwickelte. Es ist eine einfache Umkehrung unserer heutigen Gesellschaft, ohne tiefer darauf einzugehen oder zu differenzieren. Ich habe einfach etwas anderes erwartet. Der Autor selbst in der DDR aufgewachsen, lange in Tansania gelebt und studierter Kulturwissenschaftler habe ich mehr Differenziertheit erwartet. Die Fluchtursachen, die Flucht selbst und auch das Ende sind nicht wirklich neu. Dadurch, dass der Hintergrund für mich so nebulös bleibt, unterscheidet sich dieses Buch für mich nicht wirklich von anderen Romanen über Flucht. Das heißt nicht, dass ich mit dem Protagonisten nicht mit fiebere, aber ich denke, er hat Potential verschenkt. Denn wenn er das Thema warum seine Welt ist wie sie ist, stärker hervorgehoben hätte, wäre vielleicht die Erkenntnis größer, dass es einen selbst nur so gut geht, weil es anderen schlecht geht. Schade, für mich hatte die Idee so viel Potential, was verschenkt wurde.