Rezension

Grandiose Idee, jedoch viel verschenktes Potenzial..

Winterseele. Kissed by Fear - Kelsey Sutton

Winterseele. Kissed by Fear
von Kelsey Sutton

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt:
„Wer hat dir das angetan?“, wundert er sich wohl zum tausendsten Mal. „Und warum? Wer kann eine solche Macht besitzen?“ (S. 10) 

Elizabeth kann nichts fühlen. Allerdings kann sie die Emotionen anderer und die Elemente in menschlicher Gestalt sehen. Die meisten Emotionen haben es schon lange aufgegeben Elizabeth zu berühren, nur Fear besucht Elizabeth immer wieder und versucht ihre Angst zu wecken. Als Elizabeth beginnt merkwürdige Träume zu haben und sie außerdem noch das ungute Gefühl hat, beobachtet zu werden, fängt sie an sich mit ihrer Vergangenheit zu beschäftigen. Sie will herausfinden, wieso sie nichts fühlen kann und woher ihre Gabe kommt.

Meinung:
Die ersten 150 Seiten des Buches haben mir sehr gefallen. Die Stimmung auf diesen Seiten ist düster, geheimnisvoll und man kann die Spannung fast knistern hören. Es ist, als würde man sich im Auge eines Sturms befinden. Elizabeths Emotionslosigkeit und das Umfeld in dem sie lebt tragen zu dieser ganz besonderen Stimmung bei.

Dann in der Mitte und zum Ende des Buches hin, hat mich diese Stimmung leider verlassen. Elizabeth beginnt sich zu verändern und ihre Suche nach Antworten schreitet zwar voran und der Leser bekommt nach und nach mehr Details offenbart, aber insgesamt tritt Elizabeth sehr lange auf der Stelle. Ihre Charakterentwicklung ist wirklich sehr langsam bzw. macht sie in einem Absatz einen Schritt vor und im nächsten direkt 5 Schritte wieder zurück. So hatte ich beim Lesen einfach das Gefühl es geht nicht voran, obwohl immer neue Details hinzukamen.

Das Buch wird leider nur aus der Sicht von Elizabeth erzählt. Normalerweise finde ich Bücher mit nur einer Sichtweise ganz gut, aber bei diesem Buch gibt es einfach sehr viele Handlungen, die ein wenig mehr “Hintergrundwissen“ vermissen lassen. Durch Kapitel aus der Sicht anderer Protagonisten wären ihre Handlungen wahrscheinlich sehr viel nachvollziehbarer geworden und vielleicht hätte ich dann auch zwischen den Paaren die Chemie besser gespürt. Gerade da in diesem Buch eine so besondere Idee steckt, Gefühle und Elemente als menschliche Gestalt darzustellen, hätten einzelne Kapitel aus Sicht von Gefühlen dieses Buch so besonders machen können. Da wurde leider einfach sehr viel Potenzial verschenkt.

Die Protagonisten bleiben durch diese fehlenden Perspektivenwechsel, meiner Meinung nach, leider eher flach. 
Elizabeth gefällt mir am Anfang noch sehr gut. Ihre Emotionslosigkeit hat sie zu einem extrem interessanten Charakter gemacht. Sie war stark, mutig und sympathisch. Je weiter die Geschichte voran Schritt, desto mehr haben mich ihre Gedanken gestört. Ich glaube auf jeder zweiten Seite kam mindestens einmal ein Satz in dieser Form vor: „Ich fühle nichts, also sollte ich mich von XY fernhalten um ihn/sie nicht zu verletzen.“ Da schlich sich dann immer ein genervtes: „Okay, ja, wir haben es verstanden du fühlst nichts, aber lass die Leute doch bitte selbst entscheiden, ob sie trotzdem mit dir befreundet sein wollen oder nicht.“ in meine Gedanken.
Fear war ein sehr, sehr interessanter Protagonist, leider hat er nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen, wie man es vom Klappentext her erwartet. Er taucht ab und zu bei Elizabeth auf, aber ist auch überraschenderweise sehr viel abwesend. Leider lernt man ihn gar nicht näher kennen. Aus seiner Vergangenheit bekommt der Leser nur ein einziges Detail erzählt. Ansonsten ist er einfach da und in Elizabeth verliebt. Einfach so. 
Joshua ist der zweite “love interest“ von Elizabeth. Er ist ihr Mitschüler und hat wohl schon sehr lange ein Auge auf sie geworfen. Ich glaube, Josh war gefühlt viel präsenter als Fear. Vom Klappentext her hätte ich das so nicht erwartet. Über Josh bekommt der Leser sogar durchaus Details aus seinem Leben und seiner Vergangenheit präsentiert. 
Dann gab es noch einige sympathische Nebencharaktere, die mir wirklich sehr gut gefallen haben. Darunter auch die anderen Gefühle und Elemente, deren menschliche Darstellung wirklich gut umgesetzt war. 

In diesem Buch werden sehr, sehr viele Themen abgehakt: Gewalt in der Familie, Mobbing in der Schule, schwere Krankheit etc. Vielleicht waren es insgesamt zu viele Baustellen. Das Mobbing z. B. hätte für mich ruhig weggelassen werden können, denn es hat nicht wirklich viel zur Geschichte beigetragen. Auch die Dreiecksbeziehung in diesem Buch hat für mich nicht sehr viel Sinn ergeben. Es wirkte zu gewollt und bei mir ist leider bei keiner der Paarungen der Funke übergesprungen. Das Ende und die Auflösung rund um Elizabeths Vergangenheit war zufriedenstellend, obwohl ich finde, die Autorin hat es sich mit der Lösung ziemlich leicht gemacht. Ich hätte mir da vielleicht noch einen richtigen Hammer gewünscht, womit man als Leser gar nicht gerechnet hätte. So war das Ende vielleicht nicht direkt vorhersehbar, aber auch nicht ganz so überraschend, wie es vielleicht hätte sein können.

Fazit:
Ein Buch mit einer grandiosen Idee und sehr viel Potenzial, das leider nicht vollkommen ausgeschöpft wurde. Für ein Debüt jedoch durchaus ein gelungenes Buch, das man lesen kann. Wären die Beweggründe der Protagonisten mehr ausgearbeitet und erklärt worden, wäre das Buch wahrscheinlich wirklich großartig geworden. Wer also nicht sehr viel Wert auf Nebencharaktere mit Vergangenheit/Tiefgang legt, dem wird dieses Buch wahrscheinlich besser gefallen als mir.