Rezension

Grandiose Satire der Gelehrtengesellschaft

Willkommen auf Skios - Michael Frayn

Willkommen auf Skios
von Michael Frayn

Bewertet mit 5 Sternen

„Willkommen auf Skios“ ist ein Universitätsroman – und das ohne an einer Universität zu spielen. Er ist es in dem Sinne, indem er den Wissenschaftsbetrieb mit seiner eigenen Welt aus Forschungsaufenthalten und Vortragsreisen, Allüren und Affären persifliert so wie David Lodge es mit „Changing Places“ getan hat – nur eben anders. Die vermeintliche Wichtigkeit eines Forschungsgebietes (in diesem Fall: Szientometrie, die Wissenschaft über die Wissenschaft – allein das ist schon eine ironische Tautologie!) wird auf die Schippe genommen ebenso wie alle Leute, die sich vom Glauben an herausgeputzte schöne Orte am „Geburtsort“ der menschlichen Kultur, die der Vermittlung von Wissen geweiht sind blenden lassen.
Das Ironische am Ganzen ist ohne Zweifel die Tatsache, dass sich die Fred-Toppler-Stiftung der hehren Zivilisation geweiht hat, ihre Mitglieder und Gäste aber einen Ausbund an Chaos repräsentieren. Nikki Hook, der Assistentin der verwitweten Stiftungsgründerin gelingt es bei aller weißblusigen Perfektheit und trotz aller logistisch-organisatorischer Bemühungen mit Direktionsambitionen nicht, Ordnung in das Chaos zu bringen – stattdessen wird sie vom Chaos wie eine Marionette bespielt ab dem Moment in dem sie den charmanten und zwielichtigen Oliver Fox in der Rolle des Dr. Norman Wilfred akzeptiert.
Das Chaos herrscht aber auch im Untergrund: Mrs. Fred Toppler, die früher mal Showtänzerin war, macht es sich mit griechischen monströsen Männern gemütlich während ihre Assistentin aufgrund des „Fred Toppler Vortrags“ im Dreieck springt. Und der eigentliche Direktor der Stiftung, Christian, ist schon längst zum Eremiten geworden der in eigenen Sphären schwebt und sich nur noch sporadisch über die Vorgänge in seiner Institution von seinem persönlichen Assistenten Eric Felt unterrichten lässt. Sehr köstlich finde ich diesen „Scheindirektor“ und seinen Assistenten, sozusagen die „Mr. Burns und Smithers“ der Toppler-Stiftung, die die heimliche Herrschaft von Nikki Hook torpedieren wollen.
Dass das Fleisch schwächer ist als alle kulturellen und wissenschaftlichen Bemühungen wird uns auch noch aufs Butterbrot geschmiert, denn die menschlichen Bedürfnisse nach Nähe (Wilfred und Georgie) und einer Dusche sowie Nahrung treten in den Vordergrund wenn es hart auf hart kommt – und das kommt es in dieser Satire nur allzu oft!
Das große Thema des Romans ist Identitätsverwirrung, Zeichenhaftigkeit und die Tatsache, wie leicht wir einfältigen Menschen uns vom Aussehen, Statussymbolen (wie z. B. einem Klemmbrett, das auf Autorität verweist) und anderen Dingen täuschen lassen. Ist etwas wie es scheint, so nehmen wir es dankbar hin ohne es zu hinterfragen, so könnte die Grundthese des Buches lauten. Dass dies alles natürlich in diesem Fall humorvoll verarbeitet und präsentiert wird ist schön, denn wer will schon ohne Augenzwinkern erfahren wie leicht man sich von roten Kofferanhängern blenden und von griechischen Taxifahrern ins Nirvana fahren lässt.
In diesem Sinne: „Phoksoliva!“ ;-)