Rezension

Grandioser Abschluss der Gereon Rath Reihe

Rath -

Rath
von Volker Kutscher

Bewertet mit 5 Sternen

"Rath", ein Buchtitel der auf so vielen Ebenen perfekt gewählt ist. Nicht nur wegen Gereon und Charly.

Die Schatten des Novemberprogrom sind bereits spürbar, als die Handlung einsetzt. Kutscher nutzt den Abschied seiner Reihe auch um noch einmal deutlich zu machen: Dieses Deutschland ist ein anderes, als in Band 1 wo wir Gereon Rath das erste Mal begegnet sind. Einzig dieser hat sich weniger verändert, als es mir lieb gewesen wäre. Er ist und bleibt die ambivalente Figur, die er schon immer war. Letzten Endes hat er sein altes Leben schon lange hinter sich gelassen, Ermittlungen stellt nun jemand anderes an...

Charly. Sie ist es, die schon immer Stellung bezogen hat und sie ist es, die Fritze nicht im Stich lässt, obwohl dieser es nicht einmal weiß. Doch der Kriminalfall und auch Gereon treten immer wieder stark in den Hintergrund. Stattdessen erzählt Kutscher vom Leben in der Diktatur, von den Veränderungen die alle Figuren des Romans gleichermaßen betreffen. Rheinhold Gräf, eine meiner Lieblingsfiguren, immer noch in den Fängen des SS Manns Tornow. Fritze, der Aufgrund seiner Vergangenheit kaum eine Chance hat ohne fremde Hilfe seine Unschuld zu beweisen. Marion - die Witwe von Abe Goldstein, die nach wie vor auf Rache sinnt, die aber nun auch lernt, das sie als Jüdin in Deutschland in großer Gefahr schwebt. Amerikanischer Pass hin oder her.

Der neunte November 1938 bildet das düstere Gerüst dieses Romans, der wie erwähnt nicht umsonst "Rath" heißt. Die Anspielung auf Ernst Eduard vom Rath kommt nicht von Ungefähr. Seine Ermordung wurde als Vorwand genutzt um den Novemberprogrom zu legitimieren. Wärend Gereon und Charlys Leben sich von Grund auf ändert, schließt sich langsam der Kreis.

 

Ich hatte lange Angst davor, was Volker Kutscher seinen Figuren zumuten wird. Wie er sie zurück lassen wird. Ich finde, das es ihm gelungen ist, der Reihe weiter treu zu bleiben. Einfach hat der Autor es seinen Figuren ja noch nie gemacht, geschweige der Leserschaft. Gereon Eine Hauptfigur, die immer irgendwie ein großes Arschloch war und doch jemand, den ich mochte. Charly - die großartige Figur die perfekt als Gegengewicht zu Gereon funktioniert hat, mit einer Liebesgeschichte die immer kurz davor war zu scheitern. Ich finde das es Kutscher noch einmal großartig gelungen ist, das Leben der Figuren mit den historischen Ereignissen zu verknüpfen. Gleichzeitig den großen Bruch klar zu machen, den 1938 im Vergleich zur Weimarer Republik bildet. Das Recht für das die Polizei steht wird gebeugt und so verdreht, das es der Ideologie des Nationalsozialismus entspricht. Wärend Gereon sich längst von seiner alten Rolle als Kommissar verabschiedet hat, resigniert auf ein Leben in den USA hofft, hat Charly sich eigentlich schon entschieden. Sie wird kämpferischer, je mehr Unrecht geschieht, desto willensstarker ist sie. Das hat sich schon in den letzten Bänden angebahnt und wird hier um so deutlicher.

Fritze, der am Ende eine Rolle spielt, die ihm von anderen auf den Leib geschnitten wird...

 

Mit einem ganz großen Knall zum Schluss verabschiedet sich Kutscher. Und zeigt uns einmal mehr, was passiert, wenn wir die Demokratie im Stich lassen, Menschenrechte in den Wind schießen und Nazis erlauben ihre Macht weiter aus zu bauen.

Als ich den ersten Band 1 "Der nasse Fisch" gelesen habe, hätte ich nie gedacht, das ich den letzten Band der Reihe in einer Zeit lesen würde, in der wir uns wieder an einem Scheideweg befinden. Millionen von Menschen wurden in den Gaskammern ermordet, politisch Verfolgt, gefoltert. Es liegt an jedem einzelnen von uns, nicht zu zu lassen, das unsere Demokratie ins Wanken gerät. Das Parteien wie die AFD eben nicht die Möglichkeit bekommen, ihre Pläne um zu setzen. Die Zeichen stehen auf Sturm. Hannah Arendt hat in einem Interview mit Günter Grass einmal gesagt, dass das Schlimmste nicht die Handlung der Feinde war, sondern die der Freunde... Wo jede:r einzelne von uns steht. Am Ende können wir das nur alleine entscheiden. Gereon hat sich entschieden. Charly hat sich entschieden. Volker Kutscher hat mit seiner gesamten Reihe grandios gezeigt, wie ganz normale Menschen ihren Alltag nach und nach so verändert haben, das sie von den antidemokratischen Umbrüchen profitiert haben. Welche Veränderungen Recht und Gesetz, die Arbeit der Polizei im allgemeinen unterworfen wurden.

Die Reihe um Gereon und Charly ist nun beendet. Aber wir Leben nun wieder in einem Deutschland, das sich verändert hat. Die Parallelen sind beängstigend, aber eigentlich wissen wir aus der Geschichte wie wir es besser machen können. Volker Kutschers Reihe war nie einfach "nur" eine Kriminalreihe. Sie hat uns den Spiegel vorgehalten. Wir müssen nur hinsehen und handeln.