Rezension

Grandioser Dorfroman

Unterleuten
von Juli Zeh

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Je mehr ich erfuhr, desto stärker erinnerte mich die Geschichte an mein Lieblingsspielzeug aus Kindertagen, ein rotes Kaleidoskop“ – so heißt es am Ende des über 600 Seiten umfassenden Romans. Die Geschichte, das ist der Weg, wie Unterleuten an seine Windräder kommt. Und das Kaleidoskop, das sind die ganz unterschiedlichen Dorfbewohner, die mit ihren ganz unterschiedlichen Interessen das Dorf immer mehr spalten.

Jeder in Unterleuten, so hat man den Eindruck beim Lesen, trägt seine eigene Last mit sich herum, an der er sich abarbeitet, die ihn prägt und die seine Handlungen immer wieder irrational werden lässt. Der frühere Kommunist trifft da auf den kapitalistischen Wende-Gewinner und Großgrundbesitzer. Der gescheiterte Spiele-Entwickler auf den an Weltschmerz leidenden Soziologie-Professor. Und wenn Machtmenschen auf Idealisten,  Alteingesessene auf Zugezogene, verhinderte Schriftsteller auf erfolgsverwöhnte Macher und Modernisten auf geliebte Traditionen stoßen, liegt Spannung in der Luft, die weit über einen Nachbarschaftsstreit hinausgeht.

Eine Spannung, die bis zum Schluss erhalten bleibt. Denn es ist Juli Zeh gelungen, die Handlung so vielschichtig und überraschend wirken zu lassen, dass es auf keiner Seite langweilig wird. Und auch wenn es viele Figuren sind, die in dem Roman vorkommen, haben sie doch alle ihren eigenen Tick, der sie mehr oder weniger liebenswert macht. Und weil die Handlung immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven aufgegriffen wird, kommt man als Leser nicht darum herum, sich selbst Gedanken zu machen, um sich nicht einer der Personen oder gar dem immer wieder bissig-sarkastisch hervorlugenden Erzähler unterwerfen zu müssen.

Mir hat das Lesen von „Unterleuten“ viel Spaß bereitet.