Rezension

Grandioses Debüt

Vater unser - Angela Lehner

Vater unser
von Angela Lehner

Bewertet mit 5 Sternen

„Österreich ist wie ein Haus, das ich vor zwanzig Jahren verlassen habe, und bei meiner Rückkehr steht immer noch das benutzte Geschirr auf dem Tisch.“

Eva Maria Gruber behauptet, eine Kindergartenklasse erschossen zu haben, weshalb sie unter polizeilicher Aufsicht ins Wiener Otto-Wagner-Spital gebracht wird. Im Spital ist auch Evas Bruder Bernhard untergebracht. Ein Zufall? Chefpsychiater Doktor Korb, oder nur „Korb“, wie Eva ihn nennt, nimmt sich ihrer an und versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. So erzählt Eva von ihrer Kindheit im erzkatholischen Kärnten, vom Aufwachsen mit den Eltern und dem Bruder, von Kindheitserinnerungen. Von ihrem Wunsch, den Vater umzubringen. Ernst nehmen kann sie die Psychotherapie jedoch nicht. Viel mehr verbringt sie ihre Zeit damit, den Bruder zu suchen und Zeit mit ihm zu verbringen, ob dieser will oder nicht. Und immer mehr verzettelt sie sich in Widersprüchen…

Lehners Debüt beschreibt das Leben der Wagners aus Sicht der ältesten Tochter Eva. Der Schreibstil ist sehr unterhaltsam, ausdrucksvolle österreichische Sprache gespickt mit morbidem Sarkasmus. Häufig musste ich beim Lesen lachen, obwohl das Thema eigentlich alles andere als lustig ist. Lehner schafft es, den Leser völlig in den Bann der Eva Gruber zu ziehen. Zu spät beginnt man, Evas Weltsicht zu hinterfragen und merkt, dass vieles nicht stimmen kann. Immer mehr wird man in den Strudel gezogen, der Eva ausmacht. Häufig hinterfragt man als Leser die Handlung und muss zwischen den Zeilen danach suchen, was wirklich passiert ist. Ein durch und durch gelungenes Debüt, das zu Recht für den deutschen und österreichischen Buchpreis nominiert ist!