Rezension

Gratwanderung zwischen Spannung und Erschrecken - nichts für Zartbesaitete

Zerrspiegel
von Katja Montejano

Bewertet mit 3 Sternen

Der Blick in den Spiegel ist zu verzerrt.

azz Sanders war mit ihren neunzehn Jahren anders als junge Mädchen im Allgemeinen. Sie litt an einem leichten Asperger Syndrom, schuf sich eigene Gesetzmäßigkeiten, war zurückhaltend und verschlossen, eigentlich ängstlich und schnell verstört durch alles, das außerhalb alltäglicher Normen lag. Fremde Menschen und große Veranstaltungen flößten ihr Furcht ein, daher war es nur verständlich, dass sie ihre Zwillingsschwester Danika nicht begleitete, als diese ihren großen Auftritt bei der Wahl zur schönsten Stimme Deutschlands hatte. Verena Sanders, ihre Mutter allerdings, hatte versprochen zu kommen und war bisher nicht aufgetaucht und auch nirgendwo zu erreichen, wie ihr Danika telefonisch mitteilte. Ein unheimliches Gefühl beschlich Jazz, sollte sie selbst als schwieriges „Problemkind“ Schuld daran tragen, dass ihre Mutter wortlos verschwunden war? Ihre geschärften Sinne hörten Geräusche, machten draußen ein leises Knacken aus, dass für einen Moment die Hoffnung auf Rückkehr der Mutter zuließ, bevor das zu Tode erschrockene Mädchen einem brutalen Killer in schwarzer Kapuzenjacke und Skimaske gegenüber stand. Jazz wuchs über ihre eigenen zitternden Kräfte hinaus und entkam dem wütenden, enttäuschten Unbekannten.

Als sich später herausstellte, dass auch Mutter und Schwester verschwunden waren, wußte man, dass hier keine Zufälligkeit zugrunde lag. War ein geistesgestörter Serienkiller am Werk oder musste man Nachforschungen in der Vergangenheit anstellen, um Licht ins Dunkel der Verbrechen zu bringen? Eines war sicher: Jazz war als Opfer ausersehen, und der Täter war ihr auf der Spur – ihr Tod war die Bedingung zur Vollendung seines gesamten, perfiden Plans.

Hier hat Katja Montejano ein recht schockierendes Debüt hingelegt. Im Grunde genommen existiert kaum ein Protagonist, der nicht irgendwo im Leben düstere Befindlichkeiten aufzuweisen hat, dessen Gedanken nicht irrwegig verlaufen, dessen Mentalität nicht aus der Norm fällt und uns dadurch manchmal sogar verstört. Ganz gleich, ob Lebensumstände seine Prägung bewirkten, menschliches Versagen ihn verantwortungslos formte oder das Schicksal ihm eine unverschuldete Bürde auferlegte.

Erklärbar sind die düsteren Seiten dieses Romans mit Sicherheit, allerdings über sie zu schreiben ist eine spezielle, sehr delikate Angelegenheit, die sich nicht unbedingt für ein breites Publikum anbietet. Selbst unter den hartgesottenen Thriller - Konsumenten wird es sicher etliche geben, die in einigen Praktiken, die ein perverses Täterhirn ersinnt, eine ziemliche Ekelhaftigkeit sehen, während andere im Gegensatz dazu den Ritt auf solcher ausgefallenen Spannungswelle genussvoll genießen. Da werden sich die Geister scheiden, und die anschließende Bewertung wird recht unterschiedlich ausfallen.

Für mich persönlich war's zuviel Abartigkeit – ich bin überzeugt, dass es sie gibt, aber ich mag sie nicht in „meinen“ Büchern.