Rezension

Graue Existenz

1984
von George Orwell

Bewertet mit 3 Sternen

Winston Smith arbeitet im Ministerium für Wahrheit in einem totalitären Überwachungsstaat. Es gibt kaum eine Regung, die dem System, daher dem Big Brother entgeht, denn Winston und seine Mitmenschen sind einer 24-Stunden-Überwachung ausgesetzt. Aber was passiert, wenn man Widerwillen in sich spürt und sich gegen das Regime auflehnen will?

Es ist eine der bekanntesten Dystopien - George Orwells 1984. Daher war es für mich allerhöchste Zeit, dass ich mich einmal an dieses Werk wage.

Orwell hat diesen Roman 1948 geschrieben und daher wundert es nicht, dass es von den Schrecken des Nationalsozialismus und der Angst vor Stalins Kommunismus geprägt ist.

Die totalitäre Überwachung der Winston ausgesetzt ist, lässt einen schon beim Lesen fast wahnsinnig werden. Rund um die Uhr - sogar beim Schlafen - wird man von einem Monitor überwacht. Daher heißt es auch kleinste Regungen in Zaum zu halten, damit man nicht unabsichtlich als Verräter enttarnt wird, wobei es keine Rolle spielt, ob man tatsächlich einer ist. Denn Verrat wird hart bestraft und Winston graut davor, seine eigenen Ideen zu spinnen, bis er sich eines Tages doch drüber wagt.

Winstons Welt ist sehr düster und ich hatte ständig das Gefühl mit ihm im grauen London zu leben, in einem grauen Ministerium zu arbeiten und von grauen Menschen umgeben zu sein. Vielleicht spiegelt dieses Empfinden Winstons freudlose Existenz wider, vielleicht aber auch Orwells Erzählstil, der mir richtig auf’s Gemüt gedrückt hat.

Bemerkenswert ist, dass sich der Autor in detaillierten Beschreibungen verliert und es trotzdem schafft, den Leser bei vielem im Unklaren zu lassen. Viele Szenen lassen sich nicht komplett erklären, man blättert unschlüssig einige Seiten retour und dennoch bleibt ein verschwommenes Bild, das mich nicht ganz überzeugen konnte.

Einzelne Abschnitte lesen sich noch dazu wie politikwissenschaftliche Aufsätze, die in ihren Ansätzen zwar interessant sind, aber kaum zur Klärung der Systematik dieser Welt beitragen. Wenn ich eine Dystopie lese, dann müssen für mich die wichtigsten Fragen geklärt sein. Ich möchte wissen, warum sich eine Welt in diese Richtung entwickelt hat und wie es dazu kommen konnte und hier habe ich vom Autor kaum Antworten erhalten.

Den letzten Abschnitt habe ich als sehr konfus und teilweise wirr empfunden. Die Protagonisten verheddern sich in Widersprüchen, die natürlich dem „Doppeldenk“ und dem „Neusprech“ geschuldet sind, denn in dieser Dystopie wurde nicht nur eine eigene Sprache erfunden sondern den Bewohnern sogar das Denken neu gelernt: 

"Krieg ist Frieden
Freiheit ist Sklaverei
Unwissenheit ist Stärke"
(S. 10)

Leider bin ich mit dieser Doppeldenkweise nicht zurecht gekommen und wahrscheinlich liegt es auch daran, dass mich Orwells pessimistischer Gesellschaftsentwurf nicht bannen konnte. Trotzdem bin ich froh, dass ich mir zu diesem Werk eine eigene Meinung gebildet habe und empfehle allen Interessierten unbedingt diese Dystopie zu lesen.

© NiWa