Rezension

Grausiger Must-Read

Lapvona -

Lapvona
von Ottessa Moshfegh

Kurzbeschreibung: 

„Lapvona“ – Ottessa Moshfeghs Roman über menschliche Monstrosität, Ungleichheit, Korruption und Tyrannei. „Was für ein grauenvolles Meisterwerk!“ (Theresia Enzensberger) 

Es riecht nach Kot und Verwesung, nach Blut, Vieh und Schlamm – das ist Lapvona, der gottverlassenste Ort der Romanwelt. Hier ist niemand vom Glück begünstigt, am wenigsten Marek, der missgestaltete Sohn des Schafhirten. Doch sein Elend birgt auch eine große Kraft: baldige Nähe zu Gott durch Entsagung und Erniedrigung. Als er von Villiam, dem irren Landvogt, aufs Schloss berufen und als neuer Fürstensohn eingeführt wird, glaubt Marek sich zu Höherem erkoren. Denn noch ahnt er nicht, wie grausam nicht nur die Not, sondern auch die Sättigung den Menschen macht. In ihrem neuesten Meisterwerk entwirft Ottessa Moshfegh ein höllisches Panoptikum menschlicher Monstrosität und trifft in der grotesken Darstellung von Ungleichheit, Korruption und Tyrannei den Nerv unserer Zeit erschreckend genau.

Meine Meinung: 

Das Buch hält, was es in der Inhaltsbeschreibung ,,verspricht''. In dem Buch begegnen uns eine Vielzahl von Charakteren. Ottessa Moshfegh legt sich, vor allem um die Hälfte des Buches jedoch nicht auf eine einzige Erzählweise fest. Wir erhalten viele spannende Einblicke in das Leben verschiedener Charaktere aus Lapvona.  

Lapvona erinnert vage an ein mittelalterliches Dorf, die Namen an etwas osteuropäisches. Man kann in vielerlei Art interpretieren, inwiefern Lapvona vielleicht auch unsere Gesellschaft wiederspiegelt. Wir haben auf der einen Seite das ärmliche Dorf, dessen Menschen im Laufe des Sommers von einer schlimmen Dürreperiode heimgesucht werden. Auf der anderen Seite haben wir Villiam, der Fürst/König von Lapvona, der hoch oben auf seinem Schloss, dass er nicht verlässt, haust. 

Zu Beginn begleiten wir Marek und seinen Vater Jude. Die beiden haben ein ärmliches Leben am Stadtrand, wo sie mit kleinen Lämmchen handeln (passend zum Cover). Marek ist eine Missgestalt, denn er und sein Körper sind verformt. Ein richtiges Verhältnis haben die beiden nicht, weshalb Marek oft alleine Zuflucht bei Ina sucht. Die beiden haben ein komisches Verhältnis zu Gott, da sie zwar viele Opfer bringen, diese aber aus falschen/komischen Motiven. 

Ina ist einer der spannendsten Charaktere des Buches. Sie muss einer der ältesten Frauen aus dem Dorf sein, die viele aus dem Dorf mit ihrer Muttermilch ernährte und als Amme mitaufzog. Sie lebt am Stadtrand, weit weg von dem Rest und der Moral des Volkes. Sie erinnert vage an eine Hexe, da sie angeblich mit Vögel sprechen kann und mit allerlei Kräutern umgehen kann. 

Eine nicht vorhersehbare Wendung in dem Buch führt dazu, dass Marek als neuer Sohn Villiams in das Schloss einziehen darf. Wir erfahren durch Marek, wie sich das Leben auf der Burg verändert, und dass auch vermeintlicher Reichtum nicht dazu führt, ein erfülltes Leben zu führen. Vielmehr führt es vor Augen, wie ignorant doch unsere gesamte Gesellschaft ist. Jegliche Veränderung, iniitiert von Ina und Grigor, dem Greis von Lapvona, wird getrost vom Volk, dass durch Villiams Beanspruchung jeglicher Reichtümer leidet, ignoriert. Es zeigt sich, dass Menschen nunmal nicht gerne Veränderung anzetteln und in ihren alten Gewohnheiten leben wollen, bevor sie etwas ändern. Aber auch Mareks Aufstieg bedeutet nichts Gutes, denn er ist dadurch nicht erwachsener oder glücklicher geworden. Vielmehr wird er von Villiam gemästet und wird schnell so eingebildet, wie es auch Villiam ist. Villiam ist so davon besessen, unter ständiger Aufmerksamkeit und Unterhaltung zu leben (Social Media!), dass er jeglichen Bezug zur Realität verloren hat. Er verlässt seine Burg nicht und interessiert sich nicht für sein Volk (Politiker?). 

Das Buch ist wirklich an einigen Stellen sehr grausam und verstörend und sicher nicht einfach zu lesen. Selbst nach beenden des Buches habe ich das Gefühl, dass ich es noch nicht in allen Ebenen erfassen kann. Ottessa Moshfegh hat einen wirklich sehr grausigen Roman geschrieben, der aber auf sehr vielen Ebenen interpretiert werden kann. Man muss sich motivieren, trotz der grausamen und abstößigen Szenen weiterzulesen. Das Buch ist spannend und in einem schnellen, abwechslungsreichen Stil geschrieben. Einerseits psychologisch (Was geht in den Charakteren/Charakterentwicklungen wirklich vor?), soziologisch (Was sagt er über unsere heutige/zukünftige Gesellschaft aus?), historisch (Wie hat/wird sich unsere Gesellschaft verändern?), moralisch (Woher kommt unsere Moral? Wieso bringen Krisensituationen uns dazu, unsere Moral zu verwerfen?) und religiöse Motive, denn Pater Barnabas (der Priester von Lapvona) hat keinerlei religiöse Einstellung.