Rezension

Grenzwertiges Verwirrspiel

DEAD MAN'S BADGE - STERBEN IN LANSDALE - Robert E. Dunn

DEAD MAN'S BADGE - STERBEN IN LANSDALE
von Robert E. Dunn

Bewertet mit 3 Sternen

Lansdale - ein texanisches Städtchen an der Grenze zu Mexiko hat einen neuen Chief: Longview Moody, der eigentlich Berufsverbrecher ist. Fest in den Händen korrupter Behörden, mafiöser Kartelle und dubioser Gestalten, räumt der neue Polizeichef erstmal ordentlich auf. 

"Dead Man's Badge. Sterben in Lansdale" ist ein amerikanischer Thriller mit Wild-West-Charme, vollgestopft mit Drogengeld und einem Protagonisten, der selbst nicht weiß, wer er ist. 

Es beginnt mit Longview Moody, der gerade sein eigenes Grab aushebt. Diesen Anfang fand ich absolut genial. Longviews trockener Humor, die sarkastische Weltsicht gepaart mit der spürbaren Gefahr hat sofort einen guten Thriller versprochen. 

"Nichts ist leicht - nicht einmal das Sterben." (S. 7)

So sinniert er vor sich hin, während er ein Loch in der Wüste buddelt, das für ihn gedacht ist. Er wäre nicht Longview und schon gar nicht der Protagonist, wenn er dieser feindseligen Situation nicht entkommt. Derweil stirbt sein Bruder Paris, dem er zum Verwechseln ähnlich sieht, und der auf der anderen, der guten Seite des Gesetzes steht. 

Longview packt die Chance beim Schopf und stellt sich als sein Bruder bei dessen neuen Posten als Polizeichef von Lansdale vor. 

"Lansdale, Texas, war eine Sackgasse am Ende einer kaum befahrenen Landstraße, gelegen in einer Einbuchtung im Grenzverlauf." (S. 25)

Auf diese Weise wird der Berufsverbrecher Longview zum Gesetzeshüter Paris, was von der Ausgangslage und Grundidee her schon äußerst genial aufgebaut ist. 

Aufgrund der Nähe zu Mexiko mischt das Drogenkartell in dem Städtchen ordentlich mit, die hiesigen Politiker sehen auf ihren eigenen Vorteil bedacht zu, und irgendwie hat jeder etwas mit dem organisierten Verbrechen am Hut. 

Für mich ist dieser Thriller leider an der 'Verwechslungskomödie' gescheitert. Meiner Meinung nach ist es eine gelungene Idee, wenn sich ein Berufsverbrecher, der selbst mit dem Drogenkartell arbeitet, als Polizeichef einschleust. Doch bei diesem Punkt ist Autor Robert E. Dunn viel zu realistisch vorgegangen, weil Longview niemals als Polizist durchgeht. Er bemüht sich kein kleines Bisschen, auf irgendeine Weise den Chief zu mimen. Paris alias Longview zieht sein brutales Macho-Ding durch, und versucht nicht einmal, den Cop zu spielen. Das hat mich schon enttäuscht, obwohl er ein aufregender Charakter ist.

Nach und nach arbeitet man sich zur Grundthematik des Thrillers vor, in die ich Kritik am behördlichen System der USA interpretiere. Die Stadt Lansdale ist nicht nur der Drogenmafia, sondern in erster Linie sämtlichen Regierungsstellen mit drei Buchstaben ausgeliefert: FBI, CIA, DEA, SOT - sie alle mischen mit, und keiner weiß, was der andere hier zu suchen hat. 

„Was als Geheimoperation angefangen hat, für die niemand verantwortlich sein wollte, entwickelt sich gerade rasant zu einem Regierungsvorhaben, an dem gleich mehrere Behörden beteiligt sind.“ (S. 260)

Für mich als europäische Leserin war das total verworren. Trotzdem ahne ich, dass diese Verwirrung Kernaussage des Romans ist. Die genannten Institutionen sollten faktisch Hand in Hand gegen das Verbrechen vorgehen, stattdessen kommen sie sich gegenseitig in die Quere und streiten um Zuständigkeiten.

„So versteckt man Dinge in einer Bürokratie. Man heißt sie begeistert willkommen und lässt alle mit vollem retroaktivem Support daran teilhaben.“ (S. 260)

Daher bin ich bei „Dead Man’s Badge. Sterben in Lansdale“ zwiegespalten, denn es gibt genauso viele Aspekte, die mir gefallen haben. Protagonist Longview ist als Figur überzeugend und interessant, obwohl man ihm den Chief nicht abkauft. Die Stadt Lansdale mit ihren grenzwertigen Problemen nahm ich als heißes Pflaster mit brutaler Szenerie wahr, und Schreibstil sowie Handlung an sich sind definitiv gelungen. 

Dennoch überzeugt mich dieses behördliche Wirrspiel gar nicht, sondern hat mich nur konfus durch das Buch gejagt. Außerdem hätte ich es begrüßt, wenn Longview nicht gar so unglaubwürdig in die Fußstapfen seines Bruders tritt.

Unterm Strich bleibt mit „Dead Man’s Badge. Sterben in Lansdale“ ein brutaler Thriller an der Grenze zu Mexiko, der mit Drogengeld gepusht, von Behörden unterwandert und als wirrer Knoten zum Leser gelangt.