Rezension

Grimm - Tolle Idee mit flacher Umsetzung

Grimm - Christoph Marzi

Grimm
von Christoph Marzi

Als großer Märchen und Grimmfan klang die Inhaltsangabe von Christoph Marzis "Grimm" unglaublich vielversprechend. Würde "Grimm" besser sein als Funkes "Reckless"? Ich war äußerst gespannt und hoffte auf eine Übertreffung, die leider nicht wahr wurde. "Grimm" ist nicht schlechter, aber auch nicht besser als "Reckless". Das Problem bei Marzi: Sein Ideenreichtum ist fantastisch, die Umsetzung allerdings zweitklassig. Und auch wenn viele Rezensenten die volle Punktzahl vergeben haben, gibt es auch andere Meinungen.

Vesper Golds Welt versinkt ins Chaos: Kinder schlafen ein ohne aufzuwachen, alle Eltern teilen einen unheimlichen Traum, Wölfe durchqueren die Städte und ihre Familie scheint ein uraltes Geheimnis zu hüten, welches irgendwie mit den beunruhigenden Ereignissen zusammenhängt. Vesper muss Antworten auf ihre Fragen finden, gemeinsam mit dem Studenten Leander macht sie sich auf die Suche. Denn wenn nicht bald etwas geschieht, verändert sich ihre Welt für immer und was einst nur ein Märchen war, wird zum schlimmsten Alptraum.

Fangen wir mal mit dem Negativen an:

Vesper + Leander. Tja, wer diese Entwicklung für romantisch hielt, bitte schön, da habe ich schon DEUTLICH besseres gelesen. Liebe auf den ersten Blick klingt sehr schön, aber trotzdem kriecht man nicht gleich zu ihr ins Bett, vor allem nicht, wenn es sich dabei um einen völlig Fremden handelt, den man gerade mal 24 Stunden kennt. Musste so dringend ne Liebesstory her?

Ich empfand Leander zwar als sympathisch und auch die Beziehung zwischen ihm und Vesper gefiel mir, doch Marzis Darstellung ist so unromantisch und erzwungen, dass man diese nicht ernst nehmen konnte. Viel zu schnelle, unwahrscheinliche Entwicklung und eine zu schwache Figur names Leander. Hier war klar: Marzi wollte unbedingt ein Liebespaar. Und das am Ende, als wahre Liebe zu bezeichnen, brachte mich zum wiehern.

Amalia und Alexander. Tragische Figuren mit traurigem Hintergrund, der bedauerlicherweise nur angeschnitten wird. Generell fand ich die gesamte Auflösung viel zu angeschnitten und oberflächlich. Man hatte nicht das Gefühl in den Grund der Story einzutauchen.

Das Ende kommt viel zu schnell, zu abrupt, zu wage. Als wäre nicht alles gesagt und als hätte Marzi nur schnell zum Ende kommen wollen. Ich war enttäuscht. Nachdem man den Großteil der Geschichte auf der Flucht war, speist Marzi den Leser mit einem schnellen, unpassenden Ende ab. Et Voilá fertig war die Geschichte. Hm -.-

Zu viel Dramatik, als wäre ein Happy End zu happy. Also würzen wir es einfach noch mit ner geballten Ladung Tragik und Trauer. Ich hatte nur einen Gedanken am Ende: Uuunnötig! Vermutlich bezweckte Marzi Tränen und ein: Ooh nein, wie traurig. Aber ganz ehrlich? Es grenzte an Lächerlichkeit.

Nichts desto trotz hat es "Grimm" auf drei Sterne gebracht und das hat auch seine Gründe:

Der Schreibstil ist wunderschön und flüssig, bis auf einige nervige Wiederholungen. Wenn Marzi an einem Satz gefallen gefunden hat, wiederholt er ihn bisr zur Schmerzgrenze. Ich denke da vor allem an "Lucidas". Zum Glück verliert sich das, >Hüte dich vor den Wölfen und dem was ihnen folgt<, irgendwann.

Die Idee von gebannten Märchen, die wieder zurückkehren ist einfach fantastisch. Vor allem der Märchenanschnitt ist gelungen, wenn ich da an Rumpelstilzchen denke, Isegrim und die Alraunen. Die wachsende Bedrohung ist förmlich spürbar und gut beschrieben. Die Träume der Eltern, schlafende Kinder, Wölfe die nichts Gutes im Sinn hatten, all dies nahm den Leser gefangen und machte die Story greifbar. Ich sage nicht das die gesamte Geschichte schlecht ist, lediglich das Ende führt zu Enttäuschung. Verschenktes Potenzial, leider.

Nachdem ich "Lucidas", "Heaven" und "Grimm" gelesen habe, wird dies wohl mein letztes Marzi-Buch sein. Seine Ideen sind toll, aber gute Ideen müssen für mich auch gut umgesetzt sein und wenn dies nur teilweise vorhanden ist, reicht mir das einfach nicht.

Zum Schluss möchte ich sagen wie sehr mir Marzis Widmung gefällt: "Für alle, die nicht verlernt haben an Märchen zu glauben". Wirklich sehr schön.

"Realismus ist nur eine Sicht der Dinge, nicht die endgültige."