Rezension

Grober Unfug

'Im Chat war er noch so süß' - Annette Weber

'Im Chat war er noch so süß'
von Annette Weber

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 14-jährige Sarah, die ein gar schweres Los gezogen hat. Alle ihre Freundinnen sind verliebt, eine sogar in ihren heimlichen Schwarm, nur die arme Sarah ist ganz allein. Um ihr Selbstbewusstsein aufzubauen (Sarah wird nicht nur von ihrem Bruder "Erdnuss" genannt, sie ist zu allem Übel auch noch pummelig), wählt sie den Weg in die virtuelle Welt, doch ihr Plan, nur virtuell mit Jungs in Kontakt zu treten, geht nicht auf. Sie verabredet sich mit einem Chatpartner, nachdem sie ihre letzte verbliebene Freundin durch eine Lüge in große Gefahr gebracht hat und verliebt sich unsterblich in diesen. Da Liebe (bekanntlich) blind machen kann, merkt "Erdnuss" nicht, dass ihr neuer Freund ein falsches Spiel spielt und Übles im Sinn hat. Schliesslich (bereits nach dem zweiten (!!!) Treffen) findet sich Sarah gefangen in einem einsamen Haus im Wald wieder. Und ihr Freund entpuppt sich nicht "nur" als potenzieller Kinderschänder (nein, das wäre noch nicht genug; wenn schon, denn schon...), er will Sarah auch noch weiterverkaufen.

Auch wenn ich hier das Ende nicht nenne, wird sich wohl jeder denken können, wie das ganze ausgeht - und das ist nicht der einzige Kritikpunkt: gut, es ist ein Buch für Jugendliche, aber auch denen kann man ein gewisses Niveau zutrauen. Als besondes anstrengend fand ich zunächst, dass die Autorin t.w. einen krampfhaft, aufgesetzten "jungen" Schreibstil pflegt. Wenn Sarah über sich siniert, ist sie kein Mädchen, sondern ein "Girl" (das könnte man akzeptieren, würde die Geschichte in Suffolk, Essex oder dergleichen spielen, tut sie aber nicht, Sarah lebt im schönen Ostwestfalen). Weiterhin spricht die Autorin (als ich-erzählende Sarah) den Leser häufiger direkt an, was - euphemistisch ausgedrückt - ganz schön nervig ist. Weiterhin trägt die Autorin stellenweise etwas dick auf und führt alle Klischees ins Feld, die passen könnten. Zugegeben, Sarah ist ein 14-jähriges Mädchen, und die sind manchmal naiv (natüprlich auch Jungs), aber die Naivität Sarahs erscheint mir doch überzeichnet. Da Jugendbücher nie ohne Erziehungsauftrag auskommen, weiss die Autorin auch hier Abhilfe. Sarah (als leuchtendes Vorbild für junge Mädchen) sagt ihrem Freund, dass sie mit Sex noch warten möchte - fährt aber gleichzeit mit in sein Haus. Das Ende der Geschichte ist zudem dermaßen konstruiert und unrealistisch, dass es zum restlichen Niveau des Buches passt. Warum hat der Rezensent das Buch denn gelesen, wenn er es hier jetzt zerreißt? Weil es auf dem Pult lag und ihm in einer Vertretungsstunde langweilig war. Der Anspruch des Buches ist mMn, Kinder und Jugendliche vor den Gefahren der virtuellen Welt zu warnen. nun gut, warum auch nicht - aber dann doch bitte nicht so. Und das Schlimmste ist, die Autorin hat es im zweiten Teil der Geschichte (den ich in einer weiteren Vertretungsstunde las und beim besten Willen nicht auch noch rezensieren möchte) nicht besser, eher noch schlechter gemacht.

Fazit: Unfug, bestenfalls für Jugendliche mit arg beschränktem Intellekt zu empfehlen.