Rezension

Größtenteils deprimierend

Das Verschwinden der Erde
von Julia Phillips

Bewertet mit 4 Sternen

Die Sprache ist nicht ausgefeilt (genug) und von daher gewöhnungsbedürftig.

Die Autorin Julia Phillips hat sich für ihren Episodenroman, der sich über ein Jahr hin erstreckt und dessen zwölf Kapitel nach den Monaten eines Jahres benannt sind, August fortlaufend bis Juli, plus dem dreizehnten Kapitel Silvester, ein besonderes Setting ausgesucht, nämlich die sibirische Halbinsel Kamtschatka. 

Sie erzählt von dem Leben in diesem abgelegenen Landstrich. Die Sowjets haben Kamtschatka übernommen, es wurde zwangsbesiedelt mit Russen, die die Kultur der Ureinwohner überlagern und die Überlegenheit der Besatzungsmacht demonstrieren. Das fängt bei der Sprache an, die in der Schule nicht gelehrt wird und „früher“ sogar verboten war und führt stracks in die Chancenlosigkeit, einen Job zu bekommen oder zu halten, wenn man Kinder hat. Die Frauen sind eindeutig benachteiligt. Die ursprüngliche Kultur des Landes, das Nomadenleben, wird in den Städten verspottet, die rituellen Tänze des Volks sind ein Nischenprodukt und und dienen zur touristischen Unterhaltung. 

Julia Phillips weiß, wovon sie redet, sie hat ein Studienjahr in der kamtschatkischen Hauptstadt Petropawlowsk-Kamtschatski verbracht.Das macht ihren Roman wertvoll und authentisch. 

 

In ihrem Roman „Das Verschwinden der Erde“, dessen Titel freilich dem Leser sich nicht ohne die Phantasie zu Hilfe zu nehmen, erschließt, konzentriert sich die Autorin fast ausschließlich auf die Darstellung von Frauenleben. Sie schildert in zahlreichen Abwandlungen deren Abhängigkeiten von ihren Ehemännern, Geliebten und Freunden. Vorgesetzten. Die Frauen scheinen chancenlos. Selbst die stärksten unter ihnen, müssen tiefgreifende Verluste hinnehmen. Der Roman weist durchgehend eine triste und depressive Stimmung auf. Obwohl die Landschaft bergig und sehr schön sein muss, umwerfend schön sogar, haben die wenigsten Gelegenheit sie zu genießen. Das Land scheint rückständig und sowohl vom gesellschaftlichen wie auch vom wirtschaftlichen Fortschrift abgehängt. 

In der Eingangsepisode werden zwei junge Mädchen entführt. Eine Weile spricht man darüber in den sporadisch stattfindenden gesellschaftlichen Zusammenkünften, die Polizei reißt sich nicht gerade ein Bein aus, um den Fall zu klären. 

 

Der Kommentar:

Das Buch ist leicht zu lesen und erlaubt einen Einblick in ein entlegenes und vergessenes Land. Seine kurzen Hauptsätze lassen den Lesefluss oft stocken und erscheinen abgehackt, die Sprache ist modern gesetzt. Das ist Geschmackssache. Dem einen gefällts, dem anderen nicht. (Mir nicht). 

Fazit: Das starke Plus des Romans ist sein Setting und die Gesamtkomposition. Die 13 Erzählungen haben einmal mehr und einmal weniger Kraft. Ein weiteres Plus ist die Karte der Halbinsel und das Personenverzeichnis. 

Kategorie: Belletristik
Verlag dtv, 2021

Kommentare

Emswashed kommentierte am 25. Februar 2021 um 07:46

Hmm, Kamtschatka, seit Figueras Roman ein Sehnsuchtsort, hier wohl auf den realen Boden der Tatsachen geholt... tja, wieder eine zerstörte Illusion.

wandagreen kommentierte am 25. Februar 2021 um 08:51

Die Landschaft ist bestimmt wunderschön und es gibt einigen Tourismus. Nicht viel, aber ein bisschen. Für dich werden sie noch ein Bettchen übrig haben. Lerne vorher ein bisschen russisch. Das hilft.