Rezension

Großartig

Trümmerkind
von Mechtild Borrmann

Bewertet mit 5 Sternen

Mechtild Borrmann erzählt in "Trümmerkind" von drei Familien. Sie bedient sich der auktorialen Erzählweise und bewegt sich außerdem in drei Zeiten. Zu allererst lernen wir den vierzehnjährigen Hanno kennen und erleben sogleich, wie er mit seiner Schwester zusammen einen dreijährigen Jungen in den Trümmern von Hamburg im Jahre 1947 trifft. Anschließend geht die Geschichte mit Anna weiter, die im Jahre 1992 über ihr Leben sinniert. Sie möchte mehr über ihre Vergangenheit erfahren und nimmt die Nachforschungen selbst in die Hand, da ihre Mutter sie nicht unterstützen möchte. Zu guter Letzt geht es noch um eine weitere, große Familie, bei der mir die Übersicht am Anfang ziemlich schwer fiel. Diese Geschichte spielt im Jahre 1945.
Obwohl im Grunde genommen jedes Kapitel eine andere Familie und somit auch eine andere Zeit behandelt, fiel es mir sehr leicht der Geschichte zu folgen. Die Autorin versteht es, den Leser neugierig auf den weiteren Verlauf zu machen und schreibt so fließend und spannend, das es einem unmöglich ist, das Buch zur Seite zu legen. Trotz des Wissens, was im zweiten Weltkrieg geschehen ist, stellten sich mir bei Rückblicken die Nackenhaare auf. Ja, es flossen Tränen. Auch bei mir.

»Manchmal steht sie [...] am Fenster [...] und denkt darüber nach, wie sich die Dinge wiederholen oder, genauer, wie sie aneinander anknüpfen. So als trägt man ein Bündel von Lebensfäden in der Hand, von denen man den einen oder anderen verliert und dann wieder aufnimmt. Aufnehmen muss, weil der Faden nicht zu Ende ist, sondern nur in einem Augenblick der Unachtsamkeit aus der Hand gerutscht ist.«
Zitat aus: "Trümmerkind"

Die Autorin beschreibt das Setting so genau, dass man den Staub förmlich auf der Zunge schmecken und das Dröhnen der Flugzeuge in den Ohren hören kann. Die Kälte, die der Jahrhundertwinter 1947 mit sich brachte, ging mir durch Mark und Bein und ließ meine Glieder schlottern. Doch nicht nur diese Oberflächlichkeiten kamen mit voller Wucht bei mir an, sondern auch die Emotionen, die die Figuren spürten.
Wer denkt, bei "Trümmerkind" handelt es sich "nur" um einen geschichtlichen Roman, der irrt sich. Diese Geschichte beinhaltet viel mehr als nur ein einziges Genre. Es geht um Familiengeschichten, die nicht nur aufgrund der (Nach)Kriegszeit zu Herzen gehen und auch um Leichen. Wo kommen die Toten her, die nackt auf der Straße liegen? Sind sie erfroren und wurden sie beraubt, oder steckt noch etwas anderes dahinter? Diese und noch viele andere Fragen stellt man sich, während man in eine Zeit teleportiert wird und zu jeder einzelnen dieser Fragen gibt es am Ende des Buches auch die Antworten. Bis dahin begleitet man drei Familien, drei Schicksale in drei verschiedenen Zeiten.

Fazit:
Mechtild Borrmann hat mir mit "Trümmerkind" ein Highlight vor die Nase gesetzt. Ich liebe ihren Schreibstil, ihre Art, das Setting zu beschreiben und ihre Gabe, die Figuren lebendig werden zu lassen. Die verschiedenen Perspektiven und Sprünge haben mir ebenso gut gefallen, wie die verschiedenen Genre, die diese Geschichte beinhaltet. "Trümmerkind" war mein erstes Buch der Autorin, aber auf keinen Fall das Letzte!
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