Rezension

Großartiger Endzeit-Klassiker

Swans Song: Nach dem Ende der Welt - Robert McCammon

Swans Song: Nach dem Ende der Welt
von Robert McCammon

Bewertet mit 5 Sternen

* Diese spoilerfreie Besprechung bezieht sich auf die beiden Bände "Nach dem Ende der Welt" und "Das scharlachrote Auge" *
 

Der Su­per-GAU ist eingetreten: Die Welt, wie wir sie kannten wurde durch einen Atomkrieg ausgelöscht und die menschliche Zivilisation bricht zusammen. Es gibt Überlebende, meist schwer gezeichnet durch Verbrennungen und/oder der Strahlenkrankheit. Eine von ihnen ist die neunjährige Sue Wanda, von allen Swan genannt. Das Mädchen hat eine besondere Gabe, die eine unbestimmte Hoffnung für die zerstörte Welt darstellen könnte. Doch die Suche nach einem sicheren Zufluchtsort und einer möglichen Zukunft ist gefährlich und scheint unbestreitbar, denn wo der Kampf ums nackte Überleben im Vordergrund steht, ist für Menschlichkeit nur noch wenig Platz. In der atomaren Hölle, zu der die Erde geworden ist, lauert aber auch das Böse selbst, bereit auch noch den letzten Rest der Menschheit zu vernichten.

Leseeindruck

"Swans Song" (OT: SWAN SONG) erschien in den USA bereits 1987, wurde mit dem Bram Stoker Award ausgezeichnet und fand 1997 den Weg nach Deutschland – zunächst in einer gekürzten und mäßig übersetzten Form – im Knaur Verlag. 2015 brachte der Festa Verlag den Roman in neuer Übersetzung und ungekürzt heraus. Im Original als Einzelroman veröffentlicht, entschied sich der Festa Verlag zu einer Aufteilung in zwei Bände ("Nach dem Ende der Welt" und "Das scharlachrote Auge").

Der als Endzeit Thriller bezeichnete Roman (ich bespreche hier beide Teile als einen Roman) muss sich den Vergleich mit Stephen Kings Meisterwerk "The Stand - Das letzte Gefecht" (1978) zwar gefallen lassen, kommt dabei aber meines Erachtens gar nicht mal so schlecht weg. Ja, es gibt einige Parallelen und auch ähnlich angelegte Szenen (Stichwörter: Tunnel, Mais, Der dunkle Mann) und beide Bücher beschreiben die Beinahe-Auslöschung der Menschheit aber dennoch gehen beide Autoren ihren ganz eigenen Weg. Angefangen bei der Apokalypse selbst: King lässt einen Virus wüten, McCammon greift den Kalten Krieg auf und lässt diesen zu einem atomaren Weltkrieg eskalieren. Beides beängstigende und erschreckende Szenarien, weil durchaus realistisch. Diese unterschiedlichen Ausgangspunkte schaffen für die Protagonisten natürlich ganz andere Umstände und Voraussetzungen. Doch nun genug des Vergleichs, der sich an einigen Stellen einfach aufdrängt aber für mich definitiv keine Bewertungsgrundlage darstellt und irgendwo auch hinkt. Will man ein Fazit in dieser Richtung ziehen, so dann dieses: Wer Kings episches Werk mag, dürfte wohl auch an "Swans Song" Gefallen finden und umgekehrt.

Für mich fällt dieser Roman in die Kategorie der Bücher, die mich von der ersten Seite an absolut in ihren Bann schlagen konnten. McCammon lässt den Leser die Apokalypse miterleben, zeigt die Umstände, die zum Super-GAU führen, konkret auf. Ein Szenario, das leider gar nicht so fiktiv ist, wie man es sich wünschen möchte. Es geht um Politik, Machtkampf, Interessenkonflikte und viele handelnde Personen bestimmen die ersten Kapitel. Die Namensflut überfordert zunächst ein wenig, doch schnell ist man im Lesefluss und tief in der Geschichte verankert. Als es dann zur Katastrophe kommt, kristallisieren sich schnell die Protagonisten heraus und McCammon erzählt drei Handlungsstränge abwechselnd. Jeder für sich ist spannend und interessant, die Figuren agieren größtenteils glaubhaft und entwickeln sich in angemessenem Tempo. Wir folgen Josh Hutchins, einem ehemaligen Profi-Wrestler, der durch einen Zufall oder das Schicksal selbst zum Beschützer und Begleiter Swans wird. Im zweiten Strang lernen wir Sister Creep kennen. Eine obdachlose, mutige und starke Frau, die sich gemeinsam mit dem Schuhverkäufer Artie den Weg aus dem zerstörten New York bahnt und dabei auf das personifizierte Böse trifft. Zu guter Letzt lernen wir Colonel Macklin, einen traumatisierten Kriegsveteran, und den jungen Roland Croninger kennen. Diese beiden Charaktere sind das ganze Gegenteil der beiden anderen Gruppen, denn sie sind durchtrieben und bösartig.

All seine Figuren zeichnet McCammon sehr gut, es gelingt ihm Sympathie oder eben Antipathie beim Leser hervorzurufen. Man fiebert, leidet und hasst mt ihnen, erlebt ihre Schrecken als die eigenen. Hinzu kommt das düstere, vom nuklearen Winter geprägte Setting: Tod, Krankheit, Dunkelheit, Verwüstung und Strahlung. Verzweiflung und Ausweglosigkeit wohin man sieht und doch wagt man zu hoffen, denn die Protagonisten tun es auch. Sie finden einen Grund, um ihr Überleben zu kämpfen, immer weiter zu gehen, auch wenn sie nicht wissen, wohin. Denn aufzugeben, bedeutet zu sterben. Doch woher kommt sie, diese Hoffnung, die die Überlebenden antreibt? Nun, die Handlung könnte ins Trostlose abdriften, wäre da nicht die mystische Komponente, die der Autor mit eingewoben hat. Da gibt es ein seltsames Artefakt, das aus Trümmern geborgen wurde, und es gibt natürlich das Böse in Gestalt eines Mannes, der sein Äußeres wandeln kann. Sein Ziel ist das Chaos, Leid und Zerstörung. Er/Es macht Jagd auf die Hoffnungsträger und so entspinnt sich der klassische Kampf zwischen Gut und Böse. Wie üblich findet sich das Böse natürlich auch im zwischenmenschlichen Bereich wieder. Denn Jeder trägt Licht und Dunkelheit in sich.

Wenn man etwas kritisieren möchte, so könnte man vielleicht bezweifeln, ob ein direkter Atombombeneinschlag in der Form überhaupt überlebt werden kann. Alle Protagonisten befanden sich in unmittelbarer Nähe zu den Detonationen und überlebten größtenteils. Auch dürfte sich der Fortbestand im Bezug auf die Zeit danach (Nahrung und Wasserversorgung) beinahe unmöglich gestalten. Aber wenn man nicht gerade Prepper oder Survivalexperte ist, kann man über diese Unstimmigkeiten sicher getrost hinweglesen und sie unter Fiktion verbuchen. "Swans Song" ist ja schließlich kein Sachbuch über die Auswirkungen eines Atomkriegs.

Fazit

Ein postapokalyptischer Roman, der trotz seines Umfangs keinerlei Längen aufweist und durchweg spannende Unterhaltung bietet, flüssig zu lesen ist und mich von der ersten bis zur letzten Seite fesseln konnte. Lesen!