Rezension

Großartiger Roman über eine außergewöhnliche Freundschaft

Alte Sorten - Ewald Arenz

Alte Sorten
von Ewald Arenz

Bewertet mit 5 Sternen

INHALT

Sally und Liss: zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Sally, kurz vor dem Abitur, will einfach in Ruhe gelassen werden. Sie hasst so ziemlich alles: Angebote, Vorschriften, Regeln, Erwachsene. Fragen hasst sie am meisten, vor allem die nach ihrem Aussehen. 
Liss ist eine starke, verschlossene Frau, die die Arbeiten, die auf ihrem Hof anfallen, problemlos zu meistern scheint. Schon beim ersten Gespräch der beiden stellt Sally fest, dass Liss anders ist als andere Erwachsene. Kein heimliches Mustern, kein voreiliges Urteilen, keine misstrauischen Fragen. Liss bietet ihr an, bei ihr auf dem Hof zu übernachten. Aus einer Nacht werden Wochen. Für Sally ist die ältere Frau ein Rätsel. Was ist das für Eine, die nie über sich spricht, die das Haus, in dem die frühere Anwesenheit anderer noch deutlich zu spüren ist, allein bewohnt? Während sie gemeinsam Bäume auszeichnen, Kartoffeln ernten und Liss die alten Birnensorten in ihrem Obstgarten beschreibt, deren Geschmack Sally so liebt, kommen sich die beiden Frauen näher. Und erfahren nach und nach von den Verletzungen, die ihnen zugefügt wurden.

(Quelle: DuMont Buchverlag)

MEINE MEINUNG

In seinem neuen Roman „Alte Sorten“ erzählt der deutsche Autor Ewald Arenz eine großartige, sehr berührende Geschichte über eine schicksalhafte Begegnung zweier Frauen, die ihr beider Leben auf ungeahnte Weise für immer verändert und über eine außergewöhnliche Freundschaft, die deutlich macht, was wirklich bedeutsam im Leben ist.

Trotz der Schwere der angesprochenen Themen von Verletzungen, Ängsten, Schuld, Verlusten und Tod schwingt der einfühlsamen Erzählung eine wundervolle Leichtigkeit mit, die dafür sorgt, dass dieses grandiose Leseerlebnis noch lange im Gedächtnis bleibt und nachwirkt.

Ewald Arenz gelingt es in seinem wundervollen Roman hervorragend, zarte Stimmungen aber auch rohe, ungezügelte Emotionen prägnant und mit äußerst viel Feingefühl einzufangen und zu einer unglaublich dichten, bewegenden Geschichte zu verweben, die einen bald völlig gefangen nimmt. Er erzählt die Geschichte über diese beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Frauen – zwei „beschädigte“ Seelen – sehr behutsam, nuancenreich und in einer faszinierend virtuosen Sprache.

Die Charaktere der beiden Hauptfiguren sind äußerst vielschichtig angelegt. Zwei Außenseiter, die sich vom Charakter her ähnlich sind; zwei Seelenverwandte, die mit seelischen Verletzungen aus ihrer Vergangenheit und ihrem Elternhaus zu kämpfen haben und sich zum Schutz eine harte Schale zugelegt haben.

Geschickt lässt Arenz uns an der wechselhaften Gedanken- und Gefühlswelt seiner beiden faszinierenden Hauptfiguren teilhaben und beschreibt sehr anschaulich in verschiedenen Rückblicken bedeutsame Episoden aus ihrem Leben, die ihre Entwicklung und Persönlichkeit erklären. Beide haben eine Menge schmerzvoller Erfahrungen, Demütigungen und herber Enttäuschungen durchmachen müssen. Sehr fesselnd ist es, die Dynamik ihres aufeinander Einlassens und ihre Entwicklung in dem Roman zu verfolgen, von ihrem anfänglichen Schweigen, über ihre allmähliche Annäherung während der gemeinsamen, alltäglichen Arbeit auf dem Hof und in der Natur bis hin zum Kennenlernen ihrer Eigenheiten und dem Erkunden ihrer Verletzlichkeiten und Geheimnisse. Sehr beeindruckend wird dargestellt, wie zwischen den beiden Frauen eine intuitive Verbindung entsteht, sie einander ungeheuer viel Stabilität und Zufriedenheit geben und schließlich eine Freundschaft voller Toleranz und Vertrauen zwischen den beiden Seelenverwandter erwächst.

Äußerst anschaulich und mit atmosphärisch dichten Beschreibungen fängt der Autor auch die Natur, das ländliche Umfeld und die alltäglichen Tätigkeiten auf dem Hof ein, so dass man das Gefühl hat selbst bei der Birnenernte oder Weinlese dabei zu sein und das Destillieren des Birnen-Brands hautnah mit alles Sinnen mitzuerleben.

FAZIT

Ein wunderschöner Roman, der noch lange nachklingt und äußerst lesenswert ist.