Rezension

Großartiger Thriller, fesselnd, verstörend und blutig

Der Mädchenwald - Sam Lloyd

Der Mädchenwald
von Sam Lloyd

Bewertet mit 5 Sternen

In meinen Augen ein Wahnsinns-Debüt, das mich von Beginn an mitgerissen und total fasziniert hat.

"Der Mädchenwald" von Sam Lloyd ist im Dezember 2020 als Taschenbuch mit 448 Seiten beim Rowohlt Verlag erschienen.

Es handelt sich um das Debüt des Autors, das in meinen Augen sehr außergewöhnlich und einfach großartig gelungen ist.

Elissa, ein 13-ähriges Mädchen, wird in der Pause vom Parkplatz eines Hotels entführt, wo sie gerade an einem Schachturnier teilnahm. Sie wacht irgendwann in einem stockfinsteren Verlies auf und kann sich nur erinnern, in einen alten weißen Lieferwagen mit einem "Chillax"-Aufkleber an der Stoßstange geworfen zu sein...

Da sie, auch durch ihr Schachspiel, trotz ihres jugendlichen Alters in der Lage ist, clever und rational zu denken, sondiert sie ihre Lage und teilt sich ihren dunklen Keller, in dem sie u.a. wenigstens Kerzen und Streichhölzer findet, in ein virtuelles Schachbrett ein und beginnt zu analysieren.

Dann bekommt sie plötzlich Besuch (zusätzlich zu dem ihres Entführers, den sie nur den "Ghul" nennt), und zwar von Elijah, einem 12-Jährigen, der etwas sonderbar, aber nichtsdestotrotz schlau und etwas verschlagen ist. Er kennt kein Internet und weiß, dass es nicht richtig ist, dass Elissa hier festgehalten wird -- aber helfen will er ihr irgendwie auch nicht...

Elissa versucht, ihn zu maipulieren und so etwas über ihren Aufenthaltsort usw. herauszubekommen, aber Elijah erkennt das und kontert geschickt...

Es beginnt ein Martyrium für das Mädchen, das den Leser tief in menschliche Abgründe blicken lässt. Ist es wirklich gut, dass sie immer mehr erfährt über den Mädchenwald oder macht das ihre Lage nur noch auswegloser?

Der Autor schafft es, eine düstere, beklemmende Atmosphäre zu erzeugen sowie eine stetige Steigerung der Spannung. Sein Schreibstil gefällt mir ausgesprochen gut, bereits nach den ersten Seiten war ich völlig ins Geschehen eingetaucht und konnte mich definitiv bis zum Ende nicht wieder losreißen!

Es gibt drei Erzählperspektiven und unterschiedliche Zeitebenen, die nicht immer chronologisch verlaufen, so dass man schon sehr aufpassen muss, um sich nicht vollends aufs Glatteis führen zu lassen.

Die Charaktere sind sehr speziell, Elissa ist ein sympathisches, cleveres Mädchen, dem man nichts mehr wünscht, als dass sie heil wieder nach Hause zu ihrer Mum kommt. Elijah ist vielschichtig, sonderbar und bleibt über weite Teile des Thrillers etwas vage. Auch seine Familie wird etwas verschwommen dargestellt, jedenfalls scheinen sie absolute Einsiedler zu sein - ich wusste nicht so recht, ob Elijah mir leid tut oder ich ihm Ablehnung entgegenbringe. Dann ist da noch die Leiterin der Ermittlungen, DI Mairead McCullaugh, die zwar engagiert mit der Suche nach Elissa beschäftigt ist, aber sehr vorherrschende private Probleme hat, die leider zu sehr im Vordergrund stehen und mich dazu gebracht haben, die Polizistin als eher nervig zu empfinden.

Die Handlung ist teils verstörend, recht blutig und alles andere als rational. Durch die ungewöhnlichen Twists weiß der Leser bisweilen nicht, was real ist und was sich nur in den Köpfen der Protagonisten abspielt. Man hat immer mal wieder eine Vermutung, wer der / die Entführer ist, aber jedesmal gibt es eine neue, überraschende Wendung, die plausibel macht, warum man doch schon wieder falsch lag...

Auch wenn ich am Ende gern mehr über den / die Entführer und ihre Beweggründe erfahren hätte (keine Angst, die Handlung ist abgeschlossen und es bleiben keine entscheidenden Fragen offen), ist "Der Mädchenwald" für mich ein mega Thriller-Highlight und ich warte gespannt auf das nächste Buch von Sam Lloyd!!