Rezension

Großartiges Debüt

Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung - Valentina D'Urbano

Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung
von Valentina D'Urbano

Wenn jemand stirbt, den du liebst, packt dich was im Bauch und hält dich fest umklammert. Nicht am Herz, nein, der Herzschlag bleibt gleich, das Blut wird rein- und rausgepumpt, die Brust tut nicht weh, das berühmte Herzklopfen ist bloß eine Erfindung aus billigen Liebesromanen. Der Schmerz unter dem du dich krümmst, sitzt in Magen. Er ist nicht so stark wie ein Faustschlag, aber schlimmer, denn er kommt von innen, schleicht den Hals runter und wabert durch dein Innerstes, das sich zusammenzieht. Der Schmerz einer toten Liebe ist so schrecklich wie Ersticken, aber ich werde mich daran gewöhnen. Ich werde mich an viele Dinge gewöhnen, und es wird genauso viele geben, auf die ich verzichten muss. S 265

Inhalt

Beatrice und Alfredo wachsen in La Fortezza auf, einer Art Ghetto, in welches sich noch nicht einmal die Polizei traut. Und auch wenn Bea mit ihrer Familie in Armut aufwächst, ist ihre Kindheit im Vergleich zu der von Alfredo geradezu normal. Denn Alfredo wird in aller Regelmäßigkeit von seinem Vater halb zu Tode geprügelt, der den Verlust seiner Frau im Alkohol ertränkt. Alfredo wird ein Teil von Beas Familie, als es zu einem erneuten Übergriff des Vaters kommt. Als Kinder sind sie als die Zwillinge bekannt und teilen eine enge Freundschaft. Mit den Jahren entwickelt sich daraus mehr, aber beide können mit ihren Gefühlen nicht umgehen und streiten unentwegt. Bis Massimiliano, der Bruder von Alfredo, den Vater umbringt und damit eine Entwicklung auslöst mit der wohl niemand gerechnet hatte.

Meine Meinung

Valentina D'Urbano legt mit ihrem Debüt eine zutiefst beeindruckende Geschichte vor. Bevor ich das Buch in die Hand nahm, hatte ich schon gelesen, dass es eine sehr traurige Geschichte ist, die man nicht einfach so runter lesen kann. Ja, ich kann bestätigen, dass es kein "Feel-Good-Roman" ist und ja, es ist traurig, aber es ist doch aus sehr viel mehr. Einmal angefangen, konnte ich nicht mehr aufhören zu lesen. Ich habe mit Bea und Alfredo gelitten. Mit ihrer Freundschaft, aus der eine Liebe geworden ist, die weh tat und keine guten Gefühle erzeugte. Mit dem unbedingten Glauben Beas, dass alles wieder gut wird – nein, es gut werden muss. Und auch mit dem Kampf, den sie gefochten hat, um für Alfredo da zu sein. Ihm die einzige Hilfe zu sein, die er haben konnte.

Anhand von Alfredo zeigt die Autorin auf, wie sehr eine schlimme Kindheit ein ganzes Menschenleben beeinflusst. Er hat mir ganz besonders leid getan, weil er nie eine Chance auf ein wenig Glück hatte. Für Bea, mit der ihn eine Art Hassliebe verband, hätte er wohl alles getan, auch wenn er dies nie zugegeben hätte. So wie auch Bea, die erst nach seinem Tod realisiert hat, wie sehr sie Alfredo geliebt hat. Und auch wenn sie dies ignoriert hat, so konnte man als Leser durch ihr verzweifeltes Handeln jederzeit spüren, wie groß die Liebe war.

Ein Wort zu der Autorin, die mich insofern beeindruckt, da sie selber in ähnlicher Umgebung aufgewachsen ist und bei einem Schreibwettbewerb den ersten Platz gewonnen und somit dieses Buch veröffentlichen konnte. Ich finde es geradezu unglaublich, dass sie in inmitten dieser Perspektivlosigkeit so ein Debüt vorlegen konnte. Sie schreibt hart, schonungslos und sehr direkt, aber dennoch auch eine Geschichte, die gespickt ist mit Sätzen, die mich tief berührt haben. Gerade auf den letzten Seiten, auf denen Bea in ihre Zukunft schaut und davon phantasiert, wie diese in fünf Jahren aussehen könnte, hatte ich einen Kloß im Hals. Denn ich würde es ihr so sehr gönnen, dass sie den Absprung schafft und sich tatsächlich aus ihren Lebensverhältnissen befreien kann.

Fazit

"Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung" ist ein großartiges, berührendes, schonungsloses und teilweise brutal geschriebenes Debüt von einer Autorin, die zu Recht einen Schreibwettbewerb gewonnen hat. Eine neue Stimme am Autorenhimmel, die hoffentlich noch mehr Gehör für ihren Roman erhalten wird. Mich hat sie restlos überzeugt und ich würde das Buch gerne weiter empfehlen.

Kommentare

Janine2610 kommentierte am 11. Februar 2014 um 15:46

Wow, das ist ja mal ein bombastisches Zitat, das wirklich Lust auf mehr davon macht.

Deine Empfehlung für diesen Roman nehme ich gerne an. - Du hast aber auch wirklich eine überzeugende Rezension geschrieben! ;-)