Rezension

Großartiges Debüt mit einer fesselnden Atmosphäre und ganz besonderen Charakteren!

Der Dornengarten - Eva Wahrburg

Der Dornengarten
von Eva Wahrburg

Bewertet mit 5 Sternen

Zum Inhalt
 
1824
Maria von Eschweih ist in einem bizarren Käfig voller Glaubensfesseln aufgewachsen, in dem eine Frau nichts zählt und Demut und Strafen an der Tagesordnung stehen. Selbst 12 Jahre nach dem Tod ihres Ziehvaters ist sie noch immer in ihren eigenen Selbstzweifeln gefangen und verbringt ihre Tage einsam mit den Übersetzungen von Bibeltexten.
Doch alles ändert sich, als der Restaurator Herwegh auftaucht. Er soll in der Kapelle ein Fresko wiederherstellen und fällt der Hausherrin sofort durch seine ruppige und düstere Art negativ auf. Auch sein Verhältnis zu Frauen scheint äußerst rigoros und herabschauend zu sein - aber die beiden haben ein Geheimnis, das sie verbindet und je mehr es an die Oberfläche steigt, umso mehr Licht erreicht ihr einsames Leben - bis die Vergangenheit sie wieder einholt.

Meine Meinung
 
Wow! Mir fehlen wirklich die Worte für dieses Buch, weil es mich so überrascht hat und so unfassbar ungewöhnlich und fesselnd war, dass ich gar nicht weiß, wie ich es euch beschreiben soll! Ich hatte eine einfache Geschichte dahinter erwartet, einen typischen historischen Roman mit ein bisschen Liebe - und soviel mehr bekommen!

Die Atmosphäre ist von Anfang an sehr einnehmend. Die Einsamkeit der Gutsherrin Maria von Eschweih wirkt bedrückend und berührend. In jedem Wort und auch zwischen den Zeilen spürt man sehr genau, wie schwierig das Leben für sie ist und dass sie sich mit ihrem tragischen Schicksal eigentlich schon abgefunden hat.
Auch wenn man manches vielleicht nicht so recht nachvollziehen kann, wie sie denkt und fühlt, nähert man sich ihr immer mehr an, weil man nach und nach erfährt, wie die Vergangenheit sie geprägt hat. Die Wandlung, die sie durchmacht, geht nur langsam voran, doch es wirkt in keinem Moment so, als würde man auf der Stelle treten. Die Trostlosigkeit im Herzen von Maria und auch innerhalb der düsteren Mauern ihres Heimes sind ständig spürbar.

Vor allem der Schreibstil ist hier unglaublich gut an die Zeit angepasst, dabei ungewöhnlich ernst, aber mit viel Hingabe, dass es einfach eine Freude zu lesen ist. Eva Wahrburg vermittelt so viel Detailreichtum und Hintergrundwissen, philosophische Fragen und Metaphorismen, die ein perfekt inszeniertes Bild schaffen und viel zum Nachdenken anregen. Über mich selbst, über die Wahrnehmung, über die Vorurteile anderer gegenüber und wie sehr man sich vereinnahmen lässt von den Altlasten unserer Vergangenheit.

Aber auch über das damalige Leben, den Alltag, die Religion und die Schwierigkeiten, sich als Frau durchzusetzen geben dem ganzen eine authentische Note. 
Die andere prägnante Figur ist Herwegh, der als roher und brutaler Kerl von Anfang an einen schlechten Stand hat. Allerdings zeigt auch er von sich nur eine Fassade, hinter die man immer wieder einen Blick werfen darf. Wahre Abgründe tun sich da auf und machen deutlich, wie sehr vergangene Ereignisse einen Menschen prägen und in eine Richtung entwickeln lassen, die man nur schwer wieder verlassen kann; auch wenn man es noch so gerne möchte. Nur ab und an blitzt für andere sichtbar der wahre Kern durch, den er vor allen anderen vorsorglich versteckt hält.

Menschliche Verhaltensweisen und die Suche nach Liebe stehen hier im Mittelpunkt in einer großartig beschriebenen Kulisse, in die ich wahrhaft eingetaucht bin und alles mit Genuss und ohne Hetze lesen wollte. Der Stempel "Historischer Roman" ist hier definitiv zu wenig, denn man bekommt eine unglaublich intensive Geschichte menschlicher Tragik, die mir noch lange in meinen Gedanken hängenbleiben wird.

Fazit
 
Meine Worte sind viel zu wenig für dieses fantastische Werk, dass mir in all seiner unscheinbaren Dramatik und der fesselnden Atmosphäre sehr zu Herzen gegangen ist. Das Schicksal der zwei Hauptfiguren ist so essenziell, dass ich es wirklich jedem ans Herz legen möchte, es einmal damit zu versuchen.
 

© Aleshanee