Rezension

Großartiges Theater beim Abendessen

Angerichtet - Herman Koch

Angerichtet
von Herman Koch

Bewertet mit 4.5 Sternen

In den meisten Familien sind Familienessen ja ohnehin schon eine heikle Angelegenheit aber der Abend an dem sich die beiden Brüder Serge und Paul mit ihren Ehefrauen im Nobelrestaurant treffen hat es besonders in sich.

Paul der jüngere Bruder und Ich-Erzähler des Abends hat eigentlich gar keine Lust auf das Treffen und jede Unaufmerksamkeit des Personals nimmt er als Affront gegen seine Person. Schnell taucht die Ursache für sein angeknackstes Ego auf, sein großer Bruder Serge. Serge ist ein beliebter und sehr erfolgreicher Politiker wie er im Buche steht charismatisch im Umgang mit Dritten, eine schöne Frau, tolle Kinder und einen aus Afrika stammenden Adoptivsohn. Paul hat sich immer im Schatten dieses Überfliegers gesehen und natürlich hält man direkt zum ewigen Außenseiter gegen den aufschneiderischen Großkotz. Auch Pauls Frau Claire scheint viel zu feinsinnig und gut für die Runde, sie die nach einer schweren Krankheit einfach nur eine gute Mutter sein möchte.

Und genau das ist der Punkt die beiden Ehepaare sind nicht als Schwager und Schwägerinnen gekommen sondern als Eltern. Etwas Gewaltiges scheint passiert zu sein aber beim Aperitif und der Vorspeise lullt uns der Autor noch in die seit Jahren brodelnden Streitig- und Eitelkeiten.

Mir juckt es in den Fingern jetzt mehr zur Handlung zu schreiben aber eigentlich sollte sich jeder selbst von Hermann Kochs Erzählweise an der Nase herumführen lassen. Und obwohl alles so simpel und unaufgeregt anmutet könnte man das Buch auch im Deutschunterricht zur Verdeutlichung der Dramentheorie nehmen Einheit des Ortes, Einheit der Zeit, die Abscheu und der Ekel vor der Gesellschaft stellt sich beim Leser ein nur die Katharsis bleibt leider aus.