Rezension

Große Spannung, durchbrochen von Längen

Der Mädchenwald - Sam Lloyd

Der Mädchenwald
von Sam Lloyd

Bewertet mit 4 Sternen

Während eines Schachturniers wird die 13-jährige Elissa entführt und wacht angekettet in einem Verlies auf. Neben ihrem Entführer bekommt sie auch Besuch vom jungen Elijah, der allerdings nicht empfänglich für ihr Leid ist, sondern sich eher über Gesellschaft freut. Während die Polizei und Elissas Mutter alles versuchen, um sie zu finden, schmiedet das Mädchen einen eigenen Plan.

Das Buch macht rundum von Cover bis Zusammenfassung einen sehr guten ersten Eindruck, was sich auf den ersten Seiten der Lektüre bestätigt. Es gibt einige kreative Zeitsprünge, gerade am Anfang des Romans, und geschickte Perspektivwechsel zwischen Elijah, Elissa und der Ermittlerin Mairéad. Als ambige und besonders originelle Figur stiehlt Elijah Elissa ein wenig die Show. Die Mischung in seinem Charakter zwischen kindlich und "hochbegabt" führte zu einer interessanten Dynamik zwischen ihm und Elissa. Sie dagegen, die nur von ihrer Obsession mit Schach definiert wird, fand ich fast schon langweilig. Die Einblicke in das Privatleben der Ermittlerin habe ich wiederum als störend empfunden. Auch wenn krampfhaft versucht wurde, den Fall mit ihren persönlichen Problemen zu verknüpfen, hat das nur zu vermeidbaren Längen geführt, die die Spannung durchbrochen haben. Verglichen damit fällt auch die eigentliche Ermittlungsarbeit eher dürftig aus. Mehr noch, da Mairéad einfach nicht weiß, wann Schluss ist und durch ihre Verbissenheit nicht nur ihr eigenes Leben aufs Spiel setzt, kann man bei dem, was sie durchlebt, auch wenig Mitgefühl empfindet, während man bei Elissa natürlich hofft, dass sie das Ganze gut übersteht. Dass Elijahs Kapitel in der 1. Person erzählt werden und daher maximal subjektiv sind, trägt aber sicher auch dazu bei, dass sie die spannendsten sind. Die anderen beiden Perspektiven werden in der 3. Person erzählt, wodurch man etwas mehr Distanz zu Elissa und Mairéad hat. Das durchgängig verwendete Präsens transportiert sehr gut die Dringlichkeit des Falls, da Elissa Schreckliches durchleben muss, wobei aber die Intentionen der/s Entführer(s) undurchsichtig sind. Das macht die Geschichte originell.

Die eingestreuten Märchenelemente, die schon im Titel angedeutet werden und sich z.B. auch dadurch äußern, dass Elijah und Elissa sich gegenseitig Hänsel und Gretel nennen, hätte ich nicht gebraucht, denn dafür war die Metaphorik nicht gut genug ausgearbeitet. Dafür, wie komplex der Fall gestrickt ist, wird außerdem das eigentliche Ende - nachdem sich der Showdown über unnötige Massen an Seiten gezogen hat - viel zu knapp abgehandelt. Mir fehlten hier mehr Informationen über das Schicksal der Beteiligten und die Motive des Täters, da letztere doch eher unkonventionell sind und weiterer Erläuterung bedurft hätten, um glaubwürdig zu sein.

Trotz allem ein sehr spannender Thriller, den man durchaus an einem Stück verschlingen kann und der düstere Einblicke in die Leben von auf verschiedenste Weise verstörten Menschen gewährt. Empfehlenswert!