Rezension

Große Veränderungen

Der große Sommer
von Ewald Arenz

Bewertet mit 4 Sternen

Im Sommer wartet auf Frieder statt des Urlaubs mit der Familie, lernen bei den Großeltern. Er hat Mathe und Latein vergeigt und für die Nachprüfung muss er sich ordentlich ins Zeug legen. Als die Lernferien anfangen, ahnt er nicht, dass es genau deshalb sein großer Sommer werden wird.

Ich mag Coming-of-Age-Romane gern. Wenn die Wildheit der Jugend durch die Seiten blitzt, die Augen vor Lebenslust sprühen und ein Kind begreift und zu einem jungen Erwachsenen wird, hat ungemeinen Charme und regt zum Besinnen an. Es erinnert an eigene Vorstellungen, Hoffnungen und Wünsche, berührt den jungen Menschen, der in jedem nach wie vor wohnt, und gibt dem Erwachsenen einen Tritt, damit man nicht die wirklich wichtigen Dinge aus den Augen verliert. 

Mit dieser Erwartungshaltung bin ich an „Der große Sommer“ herangegangen. Die positiven Meinungen überhäufen sich, deshalb war ich gespannt, wie Frieder seinen Weg zum Erwachsenen schreitet.

Frieders Familie fährt in den Urlaub, während er bei den Großeltern lernen muss. Er ist in Mathe und Latein durchgefallen und darf sich vormittags durch den versäumten Stoff mühen. 

Außerhalb der Lernzeit bleiben ihm Schwester Alma, die ein Praktikum in einem Altenheim macht, und sein bester Freund Johann, dem er ohnehin kaum von der Seite weicht. Außerdem wartet die Begegnung mit Beate auf ihn, von der er zu Beginn des Sommers keine Ahnung hat.

Es geht um Freundschaft, die erste große Liebe, unbedachte Handlungen, daraus resultierenden Konsequenzen, Verständnis für andere und ein Gefühl des Zusammenhalts, das uns in guten Zeiten beschwingt und in schlechten Phasen über die Runden bringt.

Die Figuren fand ich sympathisch und authentisch ausgearbeitet. Die Jugendlichen sind mit Ecken und Kanten dargestellt, obwohl sie bis dato nicht die charakterliche Robustheit von Erwachsenen zeigen. Sie sind hungrig auf das Leben, freuen sich auf aufregende Abenteuer und denken, dass ihnen die Welt ohnehin schon gehört. 

Im Kontrast dazu stehen Frieders Großeltern, die in liebevoller Besonnenheit im Leben fest verankert sind. Obwohl Großmutter Nana eindeutig mehr Wärme als der akkurate Großvater ausstrahlt, ist es vor allem er, der Frieder resolut unter die Arme greift.

Ewald Arenz hat die Jugend von Frieders Generation greifbar dargestellt. Sie waren die Ersten, die ohne Krieg in einer wirtschaftlichen Blüte aufgewachsen sind, und Flucht, Tod, Gewalt und das Leben in grausamen Zeiten als Erinnerung der Großeltern kennen. Dieser Aspekt wurde behutsam in die Handlung eingebracht, was trotz der Sanftheit zum Nachdenken anregt. 

Gefehlt hat mir tatsächlich das Besondere an dem Roman. Frieder durchlebt einen Sommer, hat viele erste Male, die ihn über die Schwelle der Kindheit heben, fasst Mut, überwindet Ängste und erkennt das Wesen der Erwachsenen um ihn herum. Trotzdem hat mir der Clou gefehlt, der Frieders Sommer die Größe verleiht. 

Die Geschichte hat mir auf jeden Fall gefallen. Man plätschert mit Frieder dahin und wird von den Eindrücken der jugendlichen Sicht und ihren Ängsten gepackt. Die sommerliche Atmosphäre, der Flair der 1980er-Jahre, die Melancholie zwischen den Zeilen sowie die authentischen Charaktere haben es zu einem guten Buch gemacht. 

„Der große Sommer“ hat meiner Meinung nach nicht ganz die Größe, welche der Titel verspricht. Trotzdem ist es ein schöner Coming-of-Age-Roman, der angenehme Lesestunden bringt.