Rezension

Großes Potential nicht ganz ausgeschöpft

Grischa - Goldene Flammen - Leigh Bardugo

Grischa - Goldene Flammen
von Leigh Bardugo

Bewertet mit 4 Sternen

"Grischa - Goldene Flammen" ist der Auftakt einer High-Fantasy-Trilogie mit russischen Zügen und der Debütroman der Autorin Leigh Bardugo. Insgesamt hat mir dieses Buch für Jugendliche/junge Erwachsene gut gefallen, trotz kleiner Schwächen.

Inhalt: Alina ist Kartografin in der Ersten Armee des Zaren, die sich darauf vorbereitet gemeinsam mit einigen Grischa, den Magiern des Reiches Rawka, die Schattenflur zur überqueren - einen in völliger Dunkelheit liegenden Korridor, der das Land in zwei Teile teilt und von bösartigen Kreaturen bewohnt wird. Ebenfalls dabei ist Maljen, ein Fährtenleser und ihr bester Freund seit Kindertagen, in den sie heimlich verleibt ist. Doch Maljen ist ein Frauenheld und sie selbst so unscheinbar, dass sie sich nicht traut, zu ihren Gefühlen zu stehen. Als sie bei der Durchfahrt der Schattenflur angegriffen werden, rettet Alina Maljen das Leben, allerdings auf übernatürliche Weise. Die Grischa unter ihrem Anführer, dem Dunklen, werden auf sie aufmerksam und schicken sie weit nach Osten, um bei ihnen in die Lehre zu gehen...

"Grischa" ist ein High-Fantasy-Roman, erinnert aber vor allem durch die Namensgebung vieler Figuren und Ortschaften sowie durch die Existenz eines Zaren an ein Russland vor einigen hundert Jahren. Was aber die Welt insgesamt angeht, so waren mir die Beschreibungen oft zu schwammig und ich finde mich auch jetzt am Ende und trotz Karte und kleinem Glossar kaum zurecht. Das Argument, dass es sich bei "Goldene Flammen" um den Auftakt einer Trilogie handelt, kann an dieser Stelle für mich auch nicht zum Tragen kommen, denn gerade von einem High-Fantasy-Roman muss ich erwarten können, dass ich während des Lesens alle Hintergrundinformationen bekomme, die ich zum Verstehen jeder Beschreibung benötige. Und dieses Gefühl hatte ich bei Grischa nicht. Oft waren es Kleinigkeiten, die sich aber schnell aufsummierten: Stickereien an verschieden farbigen Umhängen, Kriegsparteien, die mir schleierhaft blieben, die Grischa und ihre verschiedenen Orden und Fähigkeiten selbst, die zwar an einigen Stellen beiläufig einflossen, aber sich mir nie vollständig erschlossen.

Ich bin besonders enttäuscht über diese fehlenden beziehungsweise unvollständigen Informationen, da ich "Grischa" ansonsten nahezu perfekt fand. Die Charaktere, insbesondere natürlich die Ich-Erzählerin Alina, waren mir immer gut verständlich. Alina selbst ist zwar eine etwas weinerliche, nicht besonders starke und manchmal naive junge Frau, was mir allerdings in Anbetracht ihrer Vergangenheit als körperlich eher schwächliches, armes Waisenkind schlüssig erschien, sodass sie mit als harmonische Protagonistin mit sehr viel Entwicklungspotential, das im Laufe der Geschichte teilweise an die Oberfläche kommt, sehr gut gefiel. Auch andere Figuren wie Maljen, der Dunkle oder einige der Grischa, mit denen Alina lernt, haben mir sehr gut gefallen. Romantisch ist die Geschichte außerdem auch und zwar auch eine sehr angenehme, unaufdringliche, aber emotional dennoch intensive Art, die mich direkt mitnahm.

Sprachlich hat mich "Goldene Flammen" ebenfalls positiv überrascht. Der Stil ist flüssig und gut, auch wenn die russischen Begriffe zu Beginn ungewohnt sind. Auch der Aufbau hat mir gut gefallen, insbesondere die durch eine andere Perspektive und durch fehlende Namensnennungen unpersönlicher und fast märchenhaft wirkenden Kapitel "davor" und "danach", die Prolog und Epilog der Geschichte bilden, während der Rest aus Alinas Sicht in der Ich-Perspektive geschildert wird. Der Handlungsverlauf ist spannend gestaltet und die Geschichte birgt einige Überraschungen und eine oft sehr geheimnisvolle Stimmung. An manchen Stellen hätte ich mir vielleicht eine ausführlichere Auseinandersetzung mit der Situation gewünscht, denn "Grischa" ist zwar auf der einen Seite nie langweilig, wirkt dafür auf der anderen Seite manchmal ein wenig überhastet und dort hätte ich mir etwas mehr Zeit gewünscht, um mit Alina mithalten zu können.

Fazit: Eine High-Fantasy, bei der ein wenig die Hintergrundinformationen vergessen wurden, was es nicht immer leicht macht, zu folgen. Die Charaktere, die Grundidee und die Sprache sind aber erste Klasse und machen Lust auf mehr. "Goldene Flammen" ist daher hoffentlich nur der lesenswerte Auftakt einer sehr guten Trilogie - das Potential ist da, wenn auch in diesem Band noch nicht ganz ausgeschöpft. 4 Sterne