Rezension

Gruselig, spannend, ein blutiges Leseerlebnis!

Der Monstrumologe - Rick Yancey

Der Monstrumologe
von Rick Yancey

Bewertet mit 5 Sternen

Story und Charaktere:

Wie der Klappentext schon deutlich zeigt, hat man es in diesem Buch mit einem Monster der besonderen Art zu tun - sie nennen sich Anthropophagen und sind Menschenfresser.
Eingeleitet wird das Ganze durch einen Prolog der auf Juli 2007 datiert ist.
Der Direktor eines Heimes kümmert sich um den Nachlass eines Patienten namens Will James Henry, der vor kurzer Zeit dort entschlafen ist und Zeit seines Lebens behauptet hat, bereits im Jahre 1876 geboren worden zu sein. Hinterlassen hat er mehrere Tagebücher, die der Direktor einem jungen Mann aushändigt, damit sie gelesen werden. Da die Tagebücher sehr fiktiv klingen, tut er diese als "Roman" ab.
Mit dem ersten Folianten fängt dann das eigentliche Buch an, das in insgesamt drei Folianten unterteilt ist. Alle sind aus Sicht von Will Henry erzählt.
Im Jahre 1888, in dem die Bücher spielen, ist der 12jährige Will Henry der Assistent von Dr. Warthrop, dem ehemaligen Chef seines verstorbenen Vaters - der, während er noch am Leben war, nie wirkliche Details über die Arbeit, die er zu tun hatte, zu Hause erwähnte. Dies ist auch nicht verwunderlich. Dr. Warthrop ist nämlich Monstrumologe.

Das Buch kommt sehr schnell in Fahrt. Ein Grabräuber steht vor der Tür und liefert die Leiche einer jungen Frau an der Haustür der beiden Hauptprotagonisten ab. In diese hat sich ein Monster verkeilt und verbissen. Dr. Warthrop weiß sehr schnell, um was für eine Art Monster es sich hier handelt. Das „Ding“ wird obduziert, auseinandergenommen, dokumentiert und anschließend an die Kellerdecke gehängt. Wer schwache Nerven hat, sollte dieses Buch also besser im Bücherregal stehen lassen und sich einem unmonstrigeren Buch widmen, denn diese Szene ist bei weitem nicht die einzige, in der sehr viel Blut und Gedärme fließen.
Schon bald ist klar, worauf das Ganze hinausläuft. Der Monstrumologe und Will Henry müssen Jagd auf die restlichen Monster dieser Art machen und sie vernichten.
Um diese Jagd wird ein weites Netz gesponnen, dass die Geschichte dieser Monster, ihrer Herkunft und wie sie in diese Stadt gekommen sind, langsam zu einem kompletten Bild zusammensetzt.
Wie dringend es ist, dass diese Jagd so schnell wie möglich stattfinden und über die Bühne gebracht werden muss, wird klar, als ein schrecklicher Mord an einer Familie passiert, in der es nur einen Überlebenden gibt.

Während es vordergründig um die Monsterjagd geht, werden im Hintergrund die verschiedenen Charaktere beleuchtet. Wir erfahren von Dr. Warthrops schwierigem Verhältnis zu seinem Vater und warum Will überhaupt die Stelle des Assistenten innehat. Beide Protagonisten sind sehr unterschiedlich. Dr. Warthrops Lieblingsworte sind „Will Henry, mach fix!“, die auf praktisch jeder Seite auftauchen. Manche mögen dies als Störung im Lesefluss und als nervig empfinden, doch hat man sich erst einmal mit dem verschrobenen Charakter des kauzigen Doktors und der besonderen Beziehung, die er zu Will Henry hat, angefreundet, treten diese Worte schnell in den Hintergrund.
Will Henry scheint zunächst einfach blind die Befehle seines Meisters zu befolgen, der seinen Beruf so sehr liebt, dass er unregelmäßig isst und wenig schläft. Auch Will bekommt deshalb wenig Schlaf, da der Doktor ihn regelmäßig nachts zu sich in den Keller ruft. Dass Will aber keine Marionette des Doktors, sondern eher Opfer seiner eigenen Neugierde ist, wird dem Leser mit jeder Seite klarer. Da er die Arbeit des Doktors begleitet, braucht er einen stabilen Magen, den er leider nicht immer hat. Deshalb hat der Doktor für ihn einen Eimer neben dem Tisch bereitgestellt, um eventuelle Missgeschicke aufzufangen. Das ist aber auch schon der einzige Punkt, indem er Will gegenüber fürsorglich wirkt. Ansonsten ist Dr. Warthrop eher ein verantwortungsloser Mann, dem man kein Kind in Obhut geben sollte.

Was mir besonders gefallen hat:

Der Text ist angepasst an die Zeit, in der er spielt. Einige werden ihn vielleicht als antiquarisch empfinden, was das Buch nicht immer einfach macht. Da die Folianten aber in der Ich-Form geschrieben sind, muss der Text genauso sein, wie er ist, um ihn glaubhaft zu machen. Außerdem trägt dieser Schreibstil dazu bei, die drückende, gar düstere Stimmung noch mehr auszubauen, die sich durch den kompletten Text zieht.
Wir haben es hier mit einem rasanten Abenteuer der etwas anderen Art zu tun und wer genau das sucht, ist mit diesem Buch bestens beraten. Man hat es hier nicht, wie man vielleicht vermutet, mit einer einfachen Monstergeschichte zu tun. Dieses Buch ist viel mehr als das. Neben dem Abenteuer finden wir hier auch eine äußerst interessante Charakterstudie der beiden Hauptprotagonisten, die trotz ihrer merkwürdigen Art beide doch sehr symphatisch sind.
Ich kann nicht behaupten, dass mich dieses Buch auch nur auf einer einzigen Seite gelangweilt hat oder langatmig wurde. Alles passiert Knall auf Fall und man kommt beim Lesen selbst kaum zum Durchatmen. Es ist absolut nichts für schwache Nerven oder einen unruhigen Magen. In diesem Buch fließen viel Blut und jede Menge Gedärme. Es ist unglaublich spannend, aber trotzdem weit ab von dem, was ich sonst so lese.

Zusatz Altersempfehlung:

Obwohl das Buch eine Altersempfehlung von 14 Jahren hat und im Jugendbuchbereich zu erhalten ist, rate ich davon ab, mich auf dieses Alter zu verlassen. Das Buch ist wahnsinnig blutrünstig und sehr brutal. Ich war selbst mehr als erstaunt darüber und hätte es mir mit Sicherheit nicht gekauft, wenn ich das vorher gewusst hätte. In den USA ist es sogar in einem reinen Jugendbuchverlag erschienen, sodass ich mich tatsächlich fragen muss, ob diejenigen, die sich für das Buch verantwortlich zeigen, es vorher überhaupt gelesen haben. Keinesfalls sollte dieses Buch in die Hände von Kindern geraten. Meine eigene Empfehlung läge bei 16 Jahren.

Gestaltung:

Bei alldem stellt man sich vielleicht die Frage, warum ich dann trotzdem dieses Buch gewählt habe.
Mich hat das Cover unglaublich angesprochen. Als ich dann noch ein Blick in das Buch warf, kam ich gedanklich nicht mehr davon los. Es gibt mehrere ganzseitige Illustrationen, die dem Kopfkino sehr zuträglich sind und viele kleinere von Werkzeugen, die ein Doktor der Monstrumologie so verwendet - vor allem Zangen und messerartige Gegenstände. Alle Zeichnungen sind in schwarz-weiß gehalten. Die Gesamtaufmachung ist rundum durchdacht und hebt damit noch das Lesevergnügen an.

Zwei weitere Punkte finde ich noch besonders erwähnenswert:

1. Beim Lesen gibt es im Rücken keine unschönen Knicke, obwohl es sich NICHT um ein Hardcover handelt.

2. In der hinteren Klappe des Buches befindet sich ein Lesezeichen im Stil der Illustrationen, das einfach rauszutrennen und direkt für das Buch verwendbar ist. 

Wertung:

Obwohl dieses Buch fern dessen ist, was ich sonst gerne lese, hat mich Rick Yancey mit dem Monstrumologen mehr als überzeugt. Die Geschichte ist so spannend und der Schreibstil so gut an die damalige Zeit angepasst, dass ich wirklich das Gefühl hatte, das Vermächtnis von Will Henry zu lesen. Es hat mich hier und da zwar das Gesicht verziehen lassen, aber im Grunde sind es genauso diese Dinge, die das Buch ausmachen und aus dem Titel einen wirklichen Monstrumologen werden lassen. Auch die Gestaltung ist einfach super gelungen und das nette Lesezeichen-Mitbringsel  ist doch eine tolle Sache.
Deshalb bekommt dieses etwas andere Buch von mir 5 Lila-Lesesterne.