Rezension

Gruselige Kulisse, schwacher Thriller

Das Dorf der toten Seelen - Camilla Sten

Das Dorf der toten Seelen
von Camilla Sten

Bewertet mit 2 Sternen

Alice wagt sich an ihr erstes großes Filmprojekt. Als Absolventin der Filmhochschule Stockholm dreht sie einen Dokumentarfilm über Silvertjärn. Das abgelegene Dorf steht seit Jahrzehnten leer, weil von einem auf den anderen Tag sämtliche Einwohner verschwunden sind. Bis heute ist das Geheimnis um Silvertjärn ungeklärt, was Alice als Aufhänger für ihre Doku verwenden will.

"Das Dorf der toten Seelen" ist ein Psychothriller der schwedischen Autorin Camilla Sten, der sich der gruseligen Kulisse eines Geisterorts bedient, und à la Blair-Witch-Project zu punkten versucht.

Die Ankunft im Dorf ist gemächlich, das Filmteam richtet sich ein, die Mitarbeiter beschnuppern sich und es kommt zu ersten Merkwürdigkeiten. Die Handys funktionieren nicht, krächzendes Lachen erklingt, es passieren Unfälle und schon verschwindet jemand aus dem Team. 

Die Kulisse des leerstehenden Dorfes hat mich bei diesem Thriller sofort angesprochen. Meiner Meinung nach ist es faszinierend, wenn Menschen an einem Ort leben, ihren Alltag verrichten, und Jahrzehnte später die Spuren dieser Personen unangetastet zu finden sind. Das hat etwas von einem Blick in die Vergangenheit, eine Verbindung, die man zu längst gegangenen Menschen und ihrem Leben erhält.

Camilla Sten nimmt sich dieses Lost-Place-Phämonens an und bedient damit eine schaurige Atmosphäre, die sie souverän in ihrem Psychothriller umsetzt. Protagonistin Alice und ihr Team erkunden das leerstehende Dorf. Sie betreten verstaubte Wohnstuben, öffnen knarzende Türen, steigen morsche Treppen hoch und setzen sich mit den Theorien über das Verschwinden der Einwohner auseinander. Niemand weiß, was damals geschehen ist.

Als Leser oder Hörer ist man dem Filmteam einen halben Schritt voraus. In einem zweiten Erzählstrang taucht man im damaligen Silvertjärn ab. Lernt Alices Großmutter - eine gestandene Einwohnerin des Orts - kennen, und beobachtet nach und nach das Treiben, welches eben zum mysteriösen Verschwinden führt.

Ich wollte diesen Thriller unbedingt mögen, weil ich die Kulisse großartig finde. Sie ist für Spannungsromane prädestiniert. Leider hat die Autorin mit Handlung und Figuren nicht die Kurve gekriegt. 

Die merkwürdigen Ereignisse im Filmteam sind spannend aber rar, zwischenmenschliche Konflikte von früher treten auf, und manchmal wird es leicht gruselig. Leider kommt die Story von der Spannungskurve her nicht in Fahrt. Einerseits wird die Schaueratmosphäre - meinem Empfinden nach - viel zu gemäßigt transportiert. Ein Knacksen hier, ein Räuspern dort, oder ein heiseres Lachen macht keinen fesselnden Thriller aus. Andrerseits war das Filmteam zu sehr von emotionalen Spannungen innerhalb der Gruppe überladen. Alice und ihr Team kennen sich. Sie waren früher befreundet und ziehen vergangenen Ballast in die aktuelle Situation rein. Meiner Ansicht nach haben diese Aspekte viel zu sehr von den mysteriösen Begebenheiten abgelenkt.

Den Handlungsstrang als Silvertjärn noch ein bewohnter Grubenort war, fand ich ebenfalls kümmerlich umgesetzt. Es gibt hier einen Antagonisten, der relativ viel im Dorf mitzureden hat. Das war mir zu glatt, zu simpel und seine Machtposition war für mich nicht nachvollziehbar. 

Die Aufklärung des Mysteriums am Ende hat mich gleichfalls nicht überzeugt. Da spielen etliche Zufälle rein, und ich mag die eingeschlagene Richtung - genauso in anderen Romanen - nicht. 

Alles in allem hat mich "Das Dorf der toten Seelen" bis auf die schaurige Szenerie nicht überzeugt. Die Spannung grummelt vor sich hin, der Vergangenheitspart verstaubt, und die Auflösung ist gar nicht nach meinem Geschmack. Trotzdem denke ich, dass man mit den richtigen Erwartungen das sanfte Schauerambiente spürt und sich bei Interesse auf die Suche nach Silvertjärn begeben kann.